Thursday Next 04 - Es ist was Faul
hätte, wäre es vielleicht nie zu dieser blöden Geschichte mit den Socken in
Lake Wobegon
gekommen.
»Okay«, sagte Hamlet plötzlich. »Ich gebe auf. Wie geht es aus?«
»Wie geht
was
aus?«
Er breitete die Arme aus.
»Das alles hier. Sie, Ihr Ehemann, Miss Hamilton, der kleine Dodo, der SuperHoop und dieser Riesenkonzern – wie heißt er noch mal?«
»Goliath?«
»Ja, genau. Also: Wie geht es aus?«
»Ich hab keine Ahnung. Unser Leben hier in der Außenwelt ist eine weitestgehend unbekannte Größe für uns.«
Hamlet war irritiert. »Soll das heißen, Sie wissen nicht, was Ihnen die Zukunft bringt?«
»So ist es.«
Das schockierte ihn vollends. »Aber wie können Sie damit leben?«
»Na ja, das ist wesentlicher Bestandteil des Lebens. Die Erwartung. Die Vorfreude.«
»Es liegt keine Freude in der Erwartung«, sagte er düster.« Außer vielleicht … wenn ich diesen alten Trottel Polonius absteche.«
»Darum geht es ja gerade«, erwiderte ich. »Da, wo Sie herkommen, ist alles vorbestimmt, und alles, was euch literarischen Figuren passiert, hat eine Bedeutung für den künftigen Verlauf der Geschichte.«
»Sie haben
Hamlet
ganz offensichtlich schon längere Zeit nicht gelesen – he, VORSICHT!«
In letzter Sekunde stieß Hamlet mich aus dem Weg einer kleinen Dampfwalze, die auf uns zurollte. Das Fahrzeug war von der Art, mit der Bürgersteige und Fußwege planiert werden, es krachte mit Schmackes in das Schaufenster, vor dem wir gestanden hatten, und landete zwischen Radios, Bügeleisen und Fernsehern.
»Alles in Ordnung?«, fragte Hamlet und half mir galant auf die Füße.
»Danke, zum Glück ist mir nichts passiert.«
»Herrje!«, sagte der Straßenarbeiter, der aufgeregt auf uns zulief und den Motor der Dampfwalze abstellte. »Ist jemand verletzt?«
»Nein, dank dieses Herrn ist mir nichts passiert. Was war denn los?«
»Keine Ahnung«, sagte der Arbeiter und kratzte sich unter der Mütze. »Sind Sie wirklich okay?«
»Danke, ja. Alles in Ordnung.«
Als wir uns von der Szene entfernten, begann sich eine Menschenmenge zu sammeln. Der Ladenbesitzer wirkte allerdings nicht besonders beunruhigt. Er war offenbar gut versichert.
»Sehen Sie?«, fragte ich Hamlet, während wir weitergingen.
»Was?«
»Das ist genau, was ich meine. In der wirklichen Welt geschieht so viel völlig grundlos. Wenn das jetzt ein Roman wäre, hätte dieser kleine Zwischenfall eine Bedeutung, die man zehn oder zwanzig Kapitel später begreift. So allerdings bedeutet er gar nichts, im wirklichen Leben bedeuten die meisten Dinge nicht viel.«
»Erzählen Sie das mal den Philologen, die
mich
zu verstehen versuchen«, schnaubte Hamlet, und nach einem Augenblick des Nachdenkens fügte er noch hinzu: »Wenn die wirkliche Welt ein Roman wäre, würde sie
nie
einen Verleger finden. Zu lang, zu verwickelt, zu viele Einzelheiten – und letztlich ohne vernünftige Auflösung.«
»Vielleicht«, sagte ich nachdenklich, »ist das genau der Grund, warum wir sie lieben.«
Wir erreichten das SpecOps-Hauptquartier, ein Gebäude von solider teutonischer Bauart, das während der Besetzung erbaut worden war. Hier hatte ich früher mit Bowden Cable und Victor Analogy zusammen am Fall Jane Eyre gearbeitet, bei dem ich Acheron Hades mit einer silbernen Kugel erwischt hatte. Ich fragte mich, wie viele von der alten Truppe wohl noch dabei waren. Andererseits war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, einfach im Büro aufzutauchen wie Emperor Zhark. Vielleicht hätte ich einen Plan machen sollen.
»Hätten Sie gern einen Kaffee, Hamlet?«
»Ja, gern.«
Wir gingen in das Café gegenüber von SpecOps, auf das Landen sich damals zubewegt hatte, als ich ihn zuletzt gesehen hatte. Eine Stunde später hatte ihn die ChronoGarde genichtet. Inzwischen war es ein Coffee House der Goliath-Kette und hieß
Café Goliathe
.
»He!«, sagte der Mann hinter der Theke, der mir irgendwie bekannt vorkam. »Leute dieser Art sind hier unerwünscht.«
»Was meinen Sie damit?«
»Dänen
werden hier nicht bedient.«
Offenbar unterstützte Goliath die anti-dänische Kampagne von Kaine.
»Aber das ist doch kein Däne. Das ist mein Vetter Eddie aus Wolverhampton.«
»Ach, ja? Und warum ist er dann angezogen wie Hamlet?«
Ich überlegte rasch. »Weil er … verrückt ist. Stimmt's, Vetter Eddie?«
»Ja, natürlich«, sagte Hamlet. Wahnsinn vorzutäuschen war für ihn kein Problem. »Ich bin nur toll bei Nordnordwest, wenn der Wind von
Weitere Kostenlose Bücher