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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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mir das nur antun!
Ihr Kopf hämmerte in rhythmischer Frustration gegen die Scheibe. Er brachte sie ins Gefängnis, und in wenigen Tagen würde sein Volk diesen Planeten verlassen und sie für immer mitnehmen, um sie einem lebenslangen Exil auf einem anderen Planeten zu überlassen. Er hatte sogar PalaThion angelogen und ihr erzählt, die Medikos hätten ihn bereits behandelt, nur damit er die Überführung selbst vornehmen konnte. Und sie hatte auch gehört, wie er sich freiwillig –
freiwillig! –
gemeldet hatte, um Funke auch persönlich festzunehmen, um seiner Pflicht zu genügen, indem er ihren Geliebten des Mordes anklagen ließ, damit er den Rest seines Lebens auf einem Höllenplaneten verbringen mußte – wenn sie ihn rechtzeitig fanden. Und wenn sie ihn nicht fanden ...?
    Sie hatte dem Ersten Sekretär Sirus alles erzählt und sich Mühe gegeben, ihn nicht zu hassen. Und sie hatte den Widerschein einer längst vergangenen Zeit gesehen, als sie ihm von dem Medaillon erzählte, das seinen Namen trug, von seinem Sohn ... »Er hat es immer getragen. Er wollte immer so wie Sie sein, die Geheimnisse des Universums kennenlernen. «
    Er hatte verblüfft gelacht und wissen wollen, wo sich sein Sohn jetzt befand, und ob er ihn nicht sprechen könnte. Sie hatte ihm daraufhin widerstrebend geantwortet, daß er Funke durchaus würde sprechen können, und zwar am Hofe der Königin. Sirus war, wie Funke, nach einem vergleichbaren Ball auf dem Planeten Samathe geboren worden, und der Premierminister hatte seinen erwachsenen Sohn beim nächsten Besuch mit auf die Reise genommen. Sie sah einige Möglichkeiten für seinen Sohn, die sich vor Sirus' geistigem Auge aufzutun schienen, daher hatte sie ihm mit einer Mischung von Furcht und Hoffnung auch noch den Rest erzählt:
    »... Und Starbuck wird mit der Königin zusammen geopfert werden, wenn das Ende des Balls gekommen ist, sollte ihn niemand retten.« Sie hatte gewartet, bis der Schock seine Wirkung getan hatte, und dann alle Willenskraft auf ihn gerichtet. »Sie können ihn retten! Er ist der Enkel des Premierministers, Ihr Sohn, und niemand würde ihn hinrichten, wenn Sie befehlen würden, daß man ihn am Leben läßt!«
    Aber Sirus war mit einem bekümmerten Lächeln zurückgetreten. »Tut mir leid, Mond ... Nichte. Wirklich leid. Aber ich kann dir nicht helfen. So sehr ich es mir auch wünsche ... « Er spielte mit seinen Fingern. »Ich kann nichts tun. Wir sind Aushängeschilder, Mond! Abbilder, Idole, Spielzeuge – wir regieren die Hegemonie nicht, wir dekorieren sie einfach nur. Man müßte die Veränderung selbst abschaffen, und das Ritual der Veränderung ist viel zu bedeutend, als daß man es einfach auf meinen Wink hin abschaffen würde. « Er senkte den Blick.
    »Aber ...«
    »Tut mir leid.« Er seufzte und zuckte mit leeren Händen die Achseln. »Wenn ich etwas innerhalb meiner Macht Stehendes tun kann, dann will ich das gerne tun, du mußt dich einfach mit mir in Verbindung setzen und es mir mitteilen. Aber ich kann keine Wunder vollbringen ... ich wüßte nicht einmal, wie ich das anstellen sollte. Ich wünschte, du hättest mir all das nie erzählt.« Er wandte sich ab und ließ sie einfach stehen – allein.
    Allein ... Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so allein gefühlt. Der Waggon wurde langsamer, er näherte sich dem Licht am Ende des Tunnels, wo er seufzend ausrollte. Draußen konnte sie eine riesige, von Menschen erschaffene Höhle sehen, eine weite, grell erleuchtete Plattform. Die Wände waren mit grellen Streifen bemalt, fruchtlose Versuche, den Eindruck der Feierlichkeit zu erwecken. Abgesehen von drei gut bewaffneten Wachsoldaten war die Plattform verlassen. In dieser Nacht wurde der Zugang zum Raumhafen noch strenger kontrolliert als sonst. Sie hatten endlich Karbunkel erreicht, aber sie hatte noch keine Vorstellung von seiner wahren Identität.
    Die Techniker verließen den Waggon, ein lachendes, sich anrempelndes Knäuel; der eine oder andere blickte flüchtig zurück, während sie über die Plattform gingen. Gundhalinu stand heftig hustend auf und bedeutete ihr, sich ebenfalls zu erheben, er sprach immer noch kein Wort zu ihr. Sie folgte den Technikern mit gesenktem Kopf, gefangen in der Stille von Fragen ohne Antworten. An der gegenüberliegenden Seite der Plattform waren Fahrstühle verschiedener Größe. Die Techniker waren bereits in einem verschwunden. Gundhalinu trug immer noch seinen blutigen Mantel und einen geliehenen Helm.

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