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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Die Wachen begutachteten seinen Ausweis eingehender als die Identifizierung seiner Gefangenen.
    Der Lift trug sie nach oben, bis Mond spürte, wie ihr Magen sich protestierend hob. Sie hielten unterwegs nie an. Der Fahrstuhlschacht stieg durch eine der Versorgungsleitungen Karbunkels an, bis er die unteren Etagen der Stadt erreichte – wo Güter von der ganzen Hegemonie eintrafen und dorthin verschickt wurden – aber nicht mehr lange.
    Als sie ihre Ebene erreicht hatten, glitten die Türen wieder auf. Farbe, Geräusche und ausgelassenes Feiern schwappte wie irrsinnig über ihren Köpfen zusammen. Männer und Frauen tanzten zur Musik einer unsichtbaren Band in den Straßen, Eingeborene und Außenweltler gleichermaßen, die die überfüllten und überladenen Docks mit jedem nur erdenklichen Kontrast von Farbe und Kleidung und Wesen erfüllten. Mond schrak zurück, spürte, wie Gundhalinu neben ihr zurückprallte, als die Kakophonie ihre an die lautlosen Schneeweiten gewöhnten Sinne bombardierte.
    Gundhalinu fluchte auf Sandhi und durchbrach damit selbstverteidigend den Mantel seines Schweigens. Aber er griff nach ihrem Arm und schob sie aus dem Aufzug, bevor die Türen sich wieder selbständig schließen konnten. Er führte sie an den Ausläufern der bunten Menge vorbei und navigierte den grenzenlosen Fehdehandschuh zu den Warenhäusern, wo die überquellenden Straßen begannen. Dort endlich hielt er mit ihr an einer ruhigen Stelle an, die im Schatten zweier Gebäude lag. Er preßte sie resolut gegen die Wand. »Mond ... «
    Sie wandte sich ab und ertränkte sein Gesicht in anderen Bildern.
Sag mir nicht, daß es dir leid tut, bitte nicht!
    »Tut mir leid. Ich mußte es tun.« Er nahm ihre Hände in seine. Sein Daumen preßte das Schloß der Handschellen, sie sprangen auf. Er nahm sie ihr ab und warf sie weg.
    Sie betrachtete ungläubig ihre Handgelenke, schüttelte die Hände, dann erst sah sie ihm ins Gesicht. »Ich dachte ... ich dachte ...«
    »Es war die einzige Möglichkeit, dich an den Sicherheitsbeamten vorbei in die Stadt zu bringen, nachdem die Kommandantin dich erkannt hatte.« Er schüttelte den Kopf und rieb sich mit der Hand das Gesicht.
    »Heilige Mutter, BZ ...« Sie atmete tief ein und rieb sich die Hände. »Du lügst zu gut.«
    Sein Mund zitterte. »Soviel also zum Guten Blauen Gundhalinu.« Er griff nach oben und nahm den geborgten Helm ab, den er fast bedauernd tätschelte. »Niemand will verstehen, daß das endgültig vorüber ist.« Seine Stimme wurde hart vor Selbstanklage. Er beugte sich hinab und legte den Helm auf das Pflaster.
    »BZ, niemand muß es erfahren.« Plötzlich verstand sie und zupfte an seinem Ärmel. »Kannst du nicht sagen, ich wäre dir im Gewühl entkommen?«
    Er richtete sich auf, sein Gesicht war dünn wie eine Messerklinge, seine Augen glichen Aschehäufchen. Sie erkannte, daß dies nicht der Katalysator, sondern nur die Folge seiner Veränderung war. »Die Kommandantin hat mir alles über deinen Vetter erzählt, was sie wußte. Im Palast können wir ihn nicht erreichen, aber sie sagte mir, daß er manchmal eine Frau namens Ravenglass in der Zitronenallee besucht. Das ist ein guter Ausgangspunkt, jedenfalls nicht schlechter als alle anderen auch.« Er wich vor ihr, wie auch vor sich selbst, zurück, um wieder auf sicheren Boden zu gelangen. »Ich glaube, wir können so gehen, wie wir sind, keiner wird uns in diesem Mob zweimal ansehen.« Er runzelte die Stirn und sah sie an. »Flechte dein Haar! Das ist ihr zu ähnlich ... zu offensichtlich.«
    Sie gehorchte verständnislos.
    »Folge mir, und was du auch tust, paß auf, daß du in der Menge nicht von mir getrennt wirst. Wir müssen durch die halbe Stadt, außerdem geht es dauernd aufwärts.« Er streckte seine unversehrte Hand aus, die sie zögernd umklammerte.
    Sie folgten dem weiteren Verlauf der Straße, verfolgt von der abstoßenden Intensität von Karbunkels Geistern. Die Winter feierten mit einer Art entfesselter Verzweiflung, denn dies war der letzte Ball, an dem sie teilnehmen konnten. Die Sommer dagegen feierten die kommende Veränderung, die ihre Welt wieder ins rechte Lot bringen würde. Der Anblick von Kleeslederstiefeln und Regenmänteln, von wettergegerbten Gesichtern zahlloser Inselbewohner, die so weit hierher gepilgert waren, erfüllte Monds Augen und stimmte sie sehnsüchtig. Sie suchte in der Menge nach einem vertrauten Gesicht, wurde aber immer enttäuscht, bis sie endlich einen roten Haarschopf

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