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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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ihr Verstand hallte wider vor schierer Energie.
    Schließlich brach sie in die Zitronenallee durch, wo der Menschenstrom sich verlangsamte und weniger dicht war. Sie bahnte sich einen Weg zum Eingang des Gewürzladens, dann noch eine Tür weiter zum Geschäft der Maskenmacherin. Die gelbgrüne Doppeltür war fest verschlossen. Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die obere Hälfte, wobei sie alle Frustration und Dringlichkeit in die Schläge hineinlegte. »Aufmachen! Aufmachen!«
    Die obere Hälfte der Tür wurde geöffnet, noch während sie schrie. Ihr Schrei endete in einem triumphierenden Lachen. Eine Frau in mittleren Jahren, mit dunklem Haar in schweren Locken, sah zu ihr heraus und betrachtete sie aus schlafgeröteten Augen .. mit Augen, die sie nicht sahen. »Ja, wer ist da?« sagte sie müde, ein wenig ungeduldig.
    »Sind ... sind Sie Fate Ravenglass, die Maskenmacherin?« Sie wußte nicht, was sie eigentlich erwartet hatte, war aber erleichtert darüber, daß diese Frau es nicht war.
    »ja.« Die Frau rieb sich das Gesicht. »Aber meine Masken sind bereits alle weg. Du mußt zu einer Verteilerstelle gehen, wenn du eine möchtest. Die Warenhäuser und Läden in der ganzen Stadt sind voll davon.«
    »Nein, ich möchte keine Maske. Ich möchte Sie etwas fragen ... wegen Funke. Funke Dawntreader. «
    »Funke?« Die Reaktion, auf die sie gewartet und um die sie gebetet hatte, erfüllte das Gesicht der Frau. Sie öffnete auch die untere Türhälfte. »Komm rein! Bitte, komm rein!«
    Mond betrat den Laden und blinzelte in dem spärlichen Licht. Als ihre Augen sich daran gewöhnt hatten, sah sie Kartons und Körbe, die nach einem präzisen, aber verwirrenden Muster in den vier Vierteln des Raumes verteilt schienen - Überreste von Stoff, Gesichtsmasken, Federn, Kordeln, Perlen. Ihr Fuß trat auf eine Perle, die sie sorgfältig aufhob und in der Hand behielt. Die Wände des Raums waren nun kahl, aber man konnte es fast noch knistern fühlen, wo einst Hunderte von Masken gelagert haben mußten, raren Blumen vergleichbar, bis sie, vor wenigen Tagen erst, alle ausverkauft worden waren ... doch der letzte Abschnitt der Wand war nicht kahl. Dort hing noch eine einsame Maske, und sie blieb gefesselt von der schimmernden Vision eines Sommertages stehen: nebulöse Regenbogen wurden von Pfützen reflektiert, unter den Füßen smaragdgrünes Moos und die grüngoldene Seide junger Grastriebe, die entlang der Hügel wuchsen, Unmengen wilder Blumen, reiche Aromen des Lebens, mit Schatten verzierte Vogelschwingen, und in der Mitte von alledem ein strahlendes Gesicht der Unschuld, gefesselt von dem Wunderbaren, gekrönt von den Strahlen der Sonnenzwillinge. »Ist das ... die Sommerkönigin?« flüsterte sie ehrfürchtig.
    Die Frau wandte sich instinktiv nach ihr um. »Das ist ihre Maske. Wer sich dereinst dahinter verbergen wird, ist immer noch ein Geheimnis, das nur den Göttern bekannt ist.«
    »Der Herrin«, sagte Mond ohne nachzudenken.
    »Ja, natürlich.« Die Maskenmacherin lächelte ein wenig traurig. Mond erkannte alles, was diese Maske für einen Winter bedeuten mußte, aber nichts davon berührte sie.
    »Sie haben sie so wunderbar gemacht, wo sie doch kommen wird, um Ihr Leben zu nehmen.«
    »Danke.« Die Frau lächelte wieder, dieses Mal stolz. »Das ist der Preis, den jeder Künstler zahlen muß – einen Teil von sich selbst mit jeder seiner Schöpfungen wegzugeben, wenn er hofft, etwas erschaffen zu haben, das ihn überdauern wird. Und wenn ich die Maske gütig und gerecht mache, dann wird die Sommerkönigin vielleicht die alten Prophezeiungen erfüllen und auch so zu uns sein.«
    »Das wird sie«, murmelte Mond.
Aber sie wird dich nicht verstehen, wie kann sie es also sein?
    »Und nun sag mir, Sommermädchen« – Mond sah sich überrascht um –, »warum du gekommen bist, um nach Funke Dawntreader zu fragen.«
    »Ich bin seine Cousine, Mond Dawntreader.«
    »Mond!« Die Maskenmacherin runzelte die Stirn. »Warte, warte nur eine Minute!« Sie ging mit sicheren Schritten durch eine Tür ins Nebenzimmer, nach einem Augenblick war sie wieder zurück und hatte ein merkwürdiges Stirnband auf. »Er hat mir so viel von dir erzählt, von euch beiden. Komm zur Tür, wo ich dich mit meinem ›dritten Auge‹ besser sehen kann!«
    Mond gehorchte. Die Frau hielt ihr Gesicht ins Licht und erstarrte langsam. »Funke sagte, du wärst wie sie ... wie sie ... « Plötzlich schien sie zu erschauern.
    »Wie wer? Mond preßte die Worte

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