Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Sie winkte überdeutlich. »Halten Sie ihn weiter besorgt, dann wird er diese Welt nicht ohne Sie verlassen, Kindchen!« Sie öffnete die Tür und ging hinein, schloß sie hinter sich.
BZ sah zur Decke, weg von Monds Verlegenheit und seiner eigenen. Er ging weiter den Korridor mit ihr hinab. »Und nun sag mir alles! Hast du sie angetroffen?«
»Ja. Und, BZ – als KR Aspundh in den Transfer ging, da war sie diejenige, die mir befahl, zurückzukehren.«
Es dauerte einen Augenblick, bevor er begriff. »Sie ist eine Sibylle? – Hier?«
Mond nickte, da ihr der Unterton seines Unglaubens entging. »Die einzige, für die ganze Galaxis ... «
»Was hast du ihr gesagt?« Plötzlich war er zornig.
Dieses Mal verstand sie. Alte Zurückhaltung und neue Mißbilligung verdunkelten ihren Blick. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück. »Ich sagte ihr, daß ich Funke finden möchte.«
Und mehr brauchst du nicht zu erfahren.
»Das meinte ich nicht.« Er unterdrückte ein Husten und gab sich Mühe, seine üble Laune unter Kontrolle zu halten. »Ich .. . ich hatte Angst, du könntest mich verlassen haben«, beschämt und linkisch, »ohne ein Abschiedswort.«
Sie wußte, daß er erkannt hatte, dies war nur die halbe Wahrheit, daher akzeptierte sie es. »BZ, wie konntest du nur je ... dich doch nicht ... dich doch nicht ...?« Sie nahm seine Hand in ihre und küßte ihn sanft.
Er machte sich widerstrebend los, plötzlich mit seinem unordentlichen Hemd beschäftigt. »Was hast du herausgefunden? Weiß sie, wo er ist?«
»Fate weiß auch nicht, wie man ihn erreichen kann.« Mond sah, wie er den Kopf hob. »Aber sie nannte mir den Namen von jemandem, der es vielleicht kann. Sie heißt ... Persiponë, sie führt ein Kasino.«
Sie dachte, er würde abgestoßen sein, doch er nickte nur. »Richtig. Das kenne ich. Oberstadt, eines der größten. Das werden wir als nächstes besuchen.« Er sah zu der spindelförmigen Helix, die sich in die oberen Etagen schraubte, zu dem Zimmer, das für eine Nacht ihr gemeinsames gewesen war. »Ich will nur noch ... meinen Mantel holen.«
39
»He da ... hallo, Sexy ... willkommen in der Hölle, großer Spender ... «
Tor stand lässig gegen eine Säule gelehnt und begrüßte den gesichtlosen Mob, der sich immerfort in beiden Richtungen durch den Spiegelvorhang ergoß. Sie biß ein Gähnen nieder, ihr Mund kribbelte bei der Anstrengung, und bemühte sich, ihr Make-up intakt zu halten. Sie hatten gerade wiedereröffnet, nachdem sie einige Stunden zur Ruhe und Erholung geschlossen gehabt hatten, und nun würden sie erst wieder schließen, wenn die Nacht der Masken vorüber war und der Tag der Veränderung anbrach. Sie hatte Aufputschmittel geschluckt, bis diese sie kaum noch hochbrachten, ihre Augen schienen im Schädel versinken zu wollen. Wie jemand, der vor einer lebenslangen unfreiwilligen Askese stand, war die Menge unersättlich in ihrer Gier, und die Quelle wollte sie melken, solange es ging.
Und was die Quelle sich wünschte, das hatte sie ihm zu erfüllen. Er hatte den riesigen Berg bürokratischer Formulare mit seinem allmächtigen, verkrüppelten Finger berührt, und schon war er auf ein Winziges zusammengeschrumpft. Er hatte seinen Segen zu ihrer Hochzeit mit Oyarzabal gegeben, damit sie noch rechtzeitig von dieser Welt fliehen konnten, bevor die Außenweltler den Deckel über Tiamats Sarg schlossen und ihn festnagelten. Nur noch wenige, unhaltbare Stunden, dann würde dieses Kasino für immer schließen – aber für immer war zu lange, als daß sie darüber hätte nachdenken können. Sie merkte, daß ihr dieser Ort fehlen würde, und das überraschte sie. Das Etablissement war immer voller Leute gewesen, die
lebten,
Leute, die keine Angst davor hatten, Gelegenheiten zu ergreifen, Leute von einer Vielzahl von Welten, die sie bisher immer noch nicht ganz begreifen konnte. Welten, die sie alle kennenlernen wollte, was ihr nun auch gelingen würde, dank Oyarzabal und der Quelle.
Einen Augenblick lang empfand sie flüchtig Zweifel an dem Gedanken, daß sie wirklich Oyarzabals Frau sein würde. Die Ehe der Außenweltler schien so lang und häßlich wie eine Kette zu sein. Und für immer an Oyarzabal gekettet zu sein ... Oyarzabal, den es nach Persiponë gelüstete, nicht nach Tor Starhiker. Würde sie diese verdammte Perücke und die Make-up-Maske so lange tragen müssen, bis sie Wirklichkeit wurden?
Oh, zum Teufel damit!
Wenn sie Oyarzabal satt hatte, konnte sie ihn rasch genug
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