Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
sie.
»Nein, Funke, ich lebe.« Dieses Mal nahm sie seine beiden Hände in ihre und zog ihn gegen seinen Widerstand näher. Sie hob sie über ihre Schultern. »Ich lebe. Faß mich an, glaub mir .. . du hast mich nie verletzt!«
Und wenn doch, dann kann ich mich jetzt nicht mehr daran erinnern.
Seine Muskeln kämpften nicht gegen ihren Griff an, seine Hände schlossen sich langsam um ihre Schulter und glitten an ihrem Ärmel entlang zum Handgelenk. Sein Kopf kippte nach vorn. »Oh, meine tausend Götter ... warum bist du hergekommen, Mond?
Warum?«
Zornig und wütend.
»Um dich zu finden. Weil du mich brauchst. Weil ich dich brauche ... weil ich dich liebe. Oh, ich liebe dich ...« Sie legte die Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
»Rühr mich nicht an!« Er zog an ihren Armen und stieß sie grob zurück. »Rühr mich nicht an!«
Mond taumelte kopfschüttelnd zurück. »Funke, ich ...« Sie rieb ihre Wangen, spürte schwach den Schmerz des Blutergusses. »Weil ich eine Sibylle bin? Aber das macht nichts! Funke, ich war seitdem auf einer anderen Welt, ich habe die Wahrheit über die Sibyllen erfahren. Ich werde dich nicht kontaminieren. Du brauchst keine Angst davor zu haben, mich zu berühren. Wir können zusammen sein, wie wir es immer waren.«
Er starrte sie an. »Wie wir es immer waren?« Tonlos, ungläubig. »Nur zwei einfache Sommerleute, die nach Fisch stinken und ihre Netze in der Sonne trocknen?« Sie nickte, doch ihr Nacken leistete der lügenden Bewegung Widerstand. »Und ich brauch keine Angst zu haben, daß du mich ansteckst?« Sie verneinte bestimmt. »Nun, aber vielleicht könnte ich dich kontaminieren. « Er schlug sich mit der offenen Hand gegen die Brust und zwang sie so, ihn anzusehen: ein Hemd aus flammfarbenem Satin, das Fleisch zwischen Stoffstreifen zeigte, die schweren Juwelen, die wie Fesseln um seinen Hals geschlungen waren, die knallengen Hosen, die nichts der Phantasie überließen.
»Du ... du bist noch viel schöner, als ich dich in Erinnerung habe.« Damit sagte sie die Wahrheit, sie verspürte ein plötzliches Verlangen, fürchtete sich aber auch davor.
Er bedeckte die Augen mit den Händen. »Weißt du denn nicht? Warum willst du nicht verstehen, verdammt! Der am Strand, der die Mers getötet hat, das war ich! Ich bin Starbuck - weißt du denn nicht, was das bedeutet? Was das aus mir macht?«
»Ich weiß.« Sie lauschte den Fragmenten ihrer brechenden Stimme nach.
Ein Mörder ... ein Lügner ... ein Fremder.
»Ich weiß, was es bedeutet, Funke, aber es ist mir egal.« Denn der Preis, den sie für diesen Augenblick bezahlt hatte, war zu hoch, um der Preis für Ruinen und Asche zu sein. »Kannst du das denn nicht verstehen? Mir ist es gleich, was du gesehen, getan hast oder gewesen bist - jetzt, wo ich dich gefunden habe, ist mir das alles egal!«
Es gibt weder Zeit noch Tod noch Vergangenheit, wenn ich sie nicht zwischen uns treten lasse.
»Das ist egal? Es ist dir egal, daß ich fünf Jahre der Liebhaber einer anderen Frau war? Es ist dir egal, wie viele der geheiligten Mers der Herrin ich hingeschlachtet habe, nur damit ich an ihrer Seite jung bleiben kann? Es wird dir egal sein, wenn du herausfindest, wohin ich heute mit dem Ertrag unserer letzten Jagd gegangen bin, oder was deswegen mit unseren fischstinkenden Artgenossen passieren wird, wenn noch ein paar Stunden verstrichen sind?« Er packte sie am Handgelenk und drehte ihren Arm auf den Rücken. »Ist es dir immer noch egal, daß ich Starbuck bin?«
Sie wich zurück, halb abgestoßen, halb wütend, konnte aber weder antworten noch sich wehren, als er sie den Flur hinunter zerrte.
Er blieb vor einer Tür stehen, schlug mit der Handkante gegen das Schloß und trat sie auf. Er zog sie hinter sich in das Zimmer. Licht flammte auf, das ihren Augen wehtat, während er die: Tür wieder zustieß und sie mit einer Handbewegung einschloß. Von jeder Wand starrten sie ihre Spiegelbilder an. Sie sah zur Decke hoch, wo sie auf sich heruntersah, senkte den Blick wieder zu rasch und stolperte in Funkes wartende Arme. Er lächelte ihr zu, doch das glich keinem Lächeln, das sie jemals an ihm gesehen hatte. Sie fröstelte. »Funke ... was ist das für ein Zimmer?«
»Was meinst du wohl, was das ist, Täubchen?« Er drehte sie in seinen Armen um, bis sie das breite Bett in der Mitte sehen konnte. Er umklammerte sie mit den Armen. Sie keuchte. Seine Hand umklammerte ihre Brust. »Ist schon lange her, was, Süße? Wußte
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