Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
gleichgültig kam und aus Favoriten und Opfern eins machte.
»Du hast Unterstützung, und du wirst noch mehr bekommen. Du brauchst die Bürde nicht alleine zu tragen. Du wirst sie immer um dich haben.« Ein mürrischer Tonfall kam in seine Stimme, er wich etwas vor ihr zurück. Sie wußte, alle Leute, von denen sie abhängig war, wußten, wer er gewesen war, und obwohl sie ihn deswegen nicht mehr haßten, würden sie ihn doch immer daran erinnern, und daher würde er sich selbst hassen. »Niemand regiert allein ... nicht einmal Arienrhod.«
»Ich bin nicht Arienrhod!« Sie verstummte, als sie erkannt hatte, daß er es nicht so meinte, aber es war zu spät. »Ich dachte, du...«
»Nein.«
»Ich weiß.« Aber ein Teil von ihm würde in ihr immer Arienrhod erblicken, wenn er sie betrachtete – denn in seinen Augen würde Arienrhod immer gegenwärtig sein, würde immer zwischen ihnen stehen und bewirken, daß sie Angst davor hatten, einander in die Augen zu sehen. Sie wischte die klamme Feuchtigkeit von ihrem Gesicht. Hinter der düsteren Stadtgrenze konnte sie das farbige Band des Sonnenuntergangs erkennen, und einen erlöschenden Regenbogen. »Wann werden wir jemals wieder einen Regenbogen sehen? Werden wir unser Leben lang auf sie verzichten müssen?«
Etwas brach unter ihnen durch die Wasseroberfläche, eine leise Störung ihrer Worte. Mond blickte hinab und sah einen schlanken, pelzigen Kopf, der die Augen hob, um ihrem Blick zu begegnen. Sie spürte, wie sie den Atem anhielt, hörte Funkes unwillkürlichen Protest .. .
»Nein!«
»Funke!« Sie umklammerte seinen Arm, da er sich von der Reling entfernen wollte. »Warte! Nicht!« Sie hielt ihn fest.
»Mond, was willst du mir antun?«
Doch sie antwortete nicht. Sie kauerte sich nieder und zog ihn mit sich, die Perlen ihres geflochtenen Schals klapperten auf dem Holz des Piers. Sie streckte den Arm aus, bis der Kopf des Mers ihn berührte und damit real wurde. »Was machst du denn hier?« Der einsame Mer sah sie mit ebenholzfarbenen Augen an, als wüßte er die Antwort selbst nicht so recht. Aber er machte keinen Versuch, sie zu verlassen, seine Flossen wühlten das Wasser und das Treibgut am Pier rhythmisch auf. Dann begann er wehleidig zu heulen, eine einzelne Stimme aus dem verlorenen Chor eines vergessenen Liedes.
Die Lieder ... warum singst du? Sind es mehr als nur Lieder? Könntest du uns deine Pflicht, deinen Zweck, den Grund für deine Existenz mitteilen, wenn du verstehen würdest?
Freude klingelte in ihr.
Ngenet.
konnte ihr beim Lernen helfen. Und wenn sie recht hatte, konnte er ihr helfen, sie zu lehren .. .
Sie hatte ihn heute in der Menge gesehen, den Stolz und die Hoffnung in seinem Gesicht, aber sie war nicht imstande gewesen, ihn zu erreichen. Und sie hatte auch die unverzeihliche Erinnerung in seinem Blick bemerkt, als er Funke angesehen hatte. Sie hielt Funkes Hand ungeachtet seines zitternden Widerstandes fest in der ihren und zwang sie über das Wasser hinaus. Er stöhnte, als hielte sie sie über ein Feuer. Der Mer sah zweifelnd von ihrem Gesicht zu seinem, dann sank er langsam wieder in das dunkle Wasser, ohne ihn zu berühren.
Mond ließ seine Hand los, sie blieb ausgestreckt über dem Wasser. Dann zog Funke langsam seine Hand wieder zurück, kauerte sich zusammen und sah sie an, worauf er gegen die Reling sank.
Hinter sich konnte Mond das ungläubige Murmeln der Sommergefolgschaft hören – die allgegenwärtigen Goodventures, die ihr den ganzen Tag gefolgt waren, um sie zu führen. Sie hatte sie mehrmals vor den Kopf gestoßen, indem sie den vorgesehenen Ritualen nicht gefolgt war, und sie wußte, sie konnten wegen ihrer königlichen Abstammung zu Todfeinden für die Zukunft werden. Sie stand ihnen mittlerweile noch ablehnender gegenüber, denn diesen Augenblick benötigte sie ganz allein für Funke, um seinen Kummer ohne Zeuge stillen zu können. Sie verstand endlich, daß Königin zu sein nicht grenzenlose Freiheit bedeutete, sondern das Ende davon.
»Das Meer vergißt niemals, Funke, aber Sie vergibt.« Mond berührte sein Haar, schließlich nahm sie sein kaltes, tränennasses Gesicht in ihre kalten, feuchten Hände und spürte seine Scham wie einen eisigen Splitter des Zweifels. »Es dauert eben seine Zeit.«
»Ein ganzes Leben wird nicht genug sein!« Ein Dolch, den seine Hand führte. Er würde niemals hierher gehören, oder sonstwo hin, wenn er nicht Frieden in sich selbst fand.
»Oh, Funke, das Meer soll Zeuge sein, daß
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