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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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im Licht der Nachmittagssonne. Da sie nur Augen für die Steinhütten des Dorfes und die einlaufenden Boote hatte, wäre sie beinahe an der Fremden vorbeigelaufen, die beobachtend dastand. Beinahe .. .
    Funke stieß mit Mond zusammen, als diese schlitternd zum Stehen kam. »Paß doch auf, Fischkopf!« Eine Sandwolke explodierte um ihre Knöchel.
    Sie umschlang ihn mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und unter ihrem von der Überraschung noch zusätzlich kräftigeren Druck verschwand seine Indigniertheit. Funke riß sich zurückweichend los, während das Netz zu Boden fiel, vergessen wie das Dorf, der Hafen und das Wiedersehen. Mond zog am Saum ihres viel zu großen Pullovers und krallte sich mit den Fingern in dem schweren, rostroten Gewebe fest.
    Die Frau lächelte ihnen zu, ihr ovales Gesicht sah aus einer uralten Parka hervor, dazu trug sie die schweren Stiefel und festen Hosen einer Inselbewohnerin. Aber sie war weder von Neith, noch von sonst einer Insel .. .
    »Bist ... bist du aus dem Meer gekommen?« keuchte Mond. Auch Funke an ihrer Seite konnte ein Keuchen nicht unterdrücken.
    Die Frau lachte, und dieses Lachen zerbrach den Bann ihrer Andersartigkeit wie eine Glasscheibe. »Nein ... nur über das Meer. Mit einem Schiff.«
    »Warum?« »Wer bist du?« Sie sprachen ihre Fragen gleichzeitig aus.
    Um beide ebenso gleichzeitig zu beantworten, hielt ihnen die Frau ein Medaillon hin, das sie an einer Kette trug: ein dreigeteiltes Kleeblatt, wie ein Bouquet aus Fischschuppen, das mit der dunkel-bedrohlichen Schönheit eines Reptilienauges funkelte. »Wißt ihr, was das ist?« Sie ließ sich auf ein Knie in den Sand sinken, ihr schwarzes Haar fiel nach vorne. Blinzelnd traten sie näher.
    »Sibylle?« flüsterte Mond ehrfürchtig. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Funke sein eigenes Medaillon hervorholte. Doch dann galt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit wieder der Frau, und nun wußte sie, warum hinter den dunklen, prüfenden Augen eine Ewigkeit verborgen schien. Eine Sibylle war die irdische Verkörperung übernatürlichen Wissens, auserwählt von der Weisheit der Herrin selbst, die aufgrund von Begabung und Training erkoren war, einem heiligen Besuch standhalten zu können.
    Die Frau nickte. »Ich bin Clavally Bluestone Sommer.« Sie preßte ihre Hände gegen die Schläfen. »Fragt, und ich werde euch antworten.«
    Doch sie fragten nicht, denn das Wissen, daß sie jede ihrer Fragen beantworten konnte, betäubte sie. Oder besser, die Herrin selbst würde ihnen durch Clavallys Lippen antworten, während die Sibylle selbst in Trance versank.
    »Keine Fragen?« Wieder verscheuchte ihr Humor alle Formalitäten. »Dann sagt mir wenigstens, wer ihr seid, ihr, die ihr schon alles wißt?«
    »Ich bin Mond«, drängelte Mond sich vor. »Mond Dawntreader Sommer. Das ist mein Vetter Funke Dawntreader Sommer – und ich weiß zu wenig, um überhaupt etwas zu fragen!« setzte sie kläglich hinzu.
    »Ich nicht.« Funke trat einen Schritt vor und hielt das Medaillon hoch. »Was ist das eigentlich?«
    »Eingabe ... «
Clavally nahm es zwischen ihre Finger, runzelte die Stirn und murmelte leise. Ihre Augen wurden zu Rauchquarz, sie bewegten sich zuckend wie die eines Träumers. Ihre Hand ballte sich über der Scheibe zur Faust. »Symbol der Hegemonie – die beiden Kreuze innerhalb des Kreises symbolisieren die Einheit von Karemough und der sieben untergeordneten Welten ... Medaillon als Auszeichnung für außergewöhnliche Dienste, Kispahaufstand: ›Wonach alle suchen, dieser hat es gefunden. Unserem geliebten Sohn Temmon Ashwini Sirius, am heutigen Tag, 9:113:07.‹ Sandhi, offizielle Sprache von Karemough und der Hegemonie ..
Keine weitere Analyse.«
Ihr Kopf sank auf die Brust, von einer unsichtbaren Macht losgelassen. Sie schwankte etwas auf ihren Knien, dann ließ sie sich seufzend zurücksinken. »So.«
    »Aber was bedeutet das?« Funke betrachtete die Scheibe, die immer noch über seiner Parka baumelte und schürzte unsicher die Lippen.
    Clavally schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Die Herrin spricht nur
durch
mich, nicht aber zu mir. Das liegt am Transfer–so ist das leider.«
    Funkes Lippen zitterten.
    »Die Hegemonie«, sagte Mond rasch. »Was ist die Hegemonie, Clavally?«
    »Die Außenweltler!« Clavallys Augen weiteten sich etwas. »Sie bezeichnen sich selbst als Hegemonie. Also ist es ein Ding von den Außenwelten ... Ich war noch nie in Karbunkel.« Sie richtete wieder den Blick darauf.

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