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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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»Wie kommt das hierher, so weit vom Raumhafen und vom Wintervolk entfernt?« Sie sah ihnen wieder in die Gesichter. »Ihr seid Festtagskinder, nicht wahr? Eure Mütter gingen gemeinsam zum letzten Ball und waren glücklich genug, mit euch zurückzukehren – und diesem Mitbringsel.«
    Funke nickte ehrfürchtig, zum einen wegen der Logik der Erwachsenen, zum anderen wegen der Trance der Herrin. »Dann – gehört mein Vater nicht zum Sommervolk, er ist nicht einmal auf Tiamat?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.« Clavally stand auf. Mond sah den seltsam besorgten Ausdruck, mit dem sie Funke betrachtete. »Aber ich weiß, daß Festtagskinder besonders gesegnet sind. Wißt ihr, weshalb ich hier bin?«
    Sie schüttelten beide den Kopf.
    »Wißt ihr schon, was ihr einmal sein wollt, wenn ihr groß seid?«
    »Zusammen«, antwortete Mond ohne nachzudenken.
    Wieder das helle Lachen. »Gut! Ich mache diese Reise durch die Windwärtsinseln, um alle jungen Leute darauf hinzuweisen, daß sie sich nicht nur als Fischer oder Bauern in den Dienst der See stellen können. Sie können der Herrin dienen, indem sie ihren Mitbürgern als Sibyllen mit Rat und Tat zur Seite stehen, so wie ich. Einige von uns werden mit einer speziellen Begabung geboren, die nur darauf wartet, von der Herrin geschult zu werden. Wenn ihr alt genug seid, werdet ihr vielleicht Ihren Ruf vernehmen und euch an einen auserwählten Ort begeben.«
    »Oh.« Mond zitterte etwas. »Ich glaube, ich höre Sie bereits!« Sie preßte kalte Hände gegen ihr klopfendes Herz, wo die Traumsaat keimte.
    »Ich auch, ich auch!« beeilte sich Funke zu versichern. »Können wir gleich gehen, können wir mit dir kommen, Clavally?«
    Clavally zog die Mütze ihres Parkas zu, als eine plötzliche Windbö aufheulte. »Nein, noch nicht. Wartet noch etwas, bis ihr ganz sicher seid, was ihr hört.«
    »Wie lange?«
    »Einen Monat?«
    Sie legte ihre Hände auf die beiden schmalen Schultern. »Wahrscheinlich ein paar Jahre.«
    »Jahre!« protestierte Mond.
    »Aber dann werdet ihr sicher sein, daß ihr nicht nur das Kreischen der Seemöwen vernehmt. Aber vergeßt eines niemals: am Ende werdet nicht ihr es sein, die die Herrin wählt, sondern die Herrin wird euch erwählen.« Wieder sah sie fast ausschließlich zu Funke.
    »Na gut.« Mond verwunderte der Blick, sie straffte ihre Schultern unter der Berührung. »Wir werden warten. Und wir werden es nicht vergessen.«
    »Und nun ... « Die Sibylle ließ die Hände sinken. »Ich glaube, jemand erwartet euch.«
    Da begann die Zeit wieder zu fließen, und sie flohen eilends, aber nicht ohne viele Male zurückzublicken, zum Dorf.
    »Mond, erinnerst du dich, was sie als letztes zu uns gesagt hat?« Das silberne Sprudeln der Töne erlosch, als Funke die Flöte vom Mund nahm und sich umsah, wodurch er Monds Erinnerungsfaden durchtrennte. Auch die Mers unterbrachen ihr Lied und sahen zum Boot herüber.
    »Clavally?« Mond steuerte den Ausleger um die Landzunge herum, die sich dahinter zu einer Bucht öffnete. Das Ufer der Insel der Auserwählten schien so zerbrechlich wie das Amulett, das die Sibyllen trugen. »Du meinst, daß meine Mutter uns erwartete?«
    »Nein. Daß die Herrin uns erwählt, und nicht etwa umgekehrt.« Funks sah zur Küste, dann richtete er den Blick wieder in ihr Gesicht. »Ich meine – was, wenn Sie nur einen von uns erwählt? Was machen wir dann?«
    »Sie wird uns beide erwählen!« Mond grinste. »Was könnte Sie anderes tun? Wir sind Festtagskinder – uns gehört das Glück.«
    »Aber wenn Sie es doch nicht tut?« Seine Finger glitten über den Moosleim, wo die beiden Hälften des Bootes miteinander verbunden worden waren.
Untrennbar ...
Er runzelte die Stirn. »Niemand kann dich
zwingen,
eine Sibylle zu werden, nur weil du die Tests bestanden hast, klar? Wir können einander jetzt schwören, daß wir ablehnen, sollte nur einer von uns erwählt werden. Um des anderen willen.«
    »Um uns beider willen.« Mond nickte.
Aber sie wird uns beide erwählen.
Seit dem einen Augenblick, vor so langer Zeit, hatte sie niemals daran gezweifelt, daß sie an jenen Ort kommen und gemeinsam den Ruf der Herrin vernehmen würden. Ein halbes Leben lang war das ihr Herzenswunsch gewesen, und sie hatte sichergestellt, daß Funke ihn immer mit ihr teilte und ihn seine hoffnungslosen Träume von den Sternen nicht ihr gemeinsames Ziel aus den Augen verlieren ließen.
    Sie streckte einen Arm aus, und Funke ergriff ihn feierlich. Sie umklammerten

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