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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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und auf den hellerleuchteten Korridor trat.
    Vor der Tür traf sie überraschenderweise Funke, der mit einem halb verlegenen, halb um Verzeihung heischenden Blick an ihr vorbei in das Kinderzimmer schlüpfte. Sie hörte Stimmengemurmel und dann die hohen, klaren Töne der Flöte, ehe sie ihren Weg fortsetzte.
    Langsam schritt sie durch die hallenden Flure, durchquerte Räume, die mit Relikten aus der Vergangenheit angefüllt waren oder Pläne und Modelle für die Zukunft enthielten. Sie war unterwegs zu ihrem Arbeitszimmer, wo viele unerledigte Dinge auf sie warteten, die für irgend jemanden sehr wichtig waren. Für sie gab es keine Muße und kein Entrinnen, ihre Pflichten hörten nie auf. Sie verfolgten sie überallhin, egal, ob sie schlief, ob sie Funke liebte, ob sie mit ihren Kindern spielte oder aus der Stadt flüchtete, um unter freiem Himmel die Welt zu sehen, die sie schützen und verbessern wollte. Vor ihrer Verantwortung konnte sie sich nicht drücken, sie lastete stets unbarmherzig auf ihr. Und wenn sie nach einer freien Stunde oder nach einer Woche Ferien an ihre Aufgaben zurückkehrte, waren diese noch vielfältiger und drückender geworden. Mittlerweile war sie so weit, daß sie gar nicht mehr abschalten konnte und selbst die Dinge als lästig empfand, die ihr eigentlich Freude bereiten sollten.
    Sie stieg die Wendeltreppe hinauf, die zu ihrem Arbeitszimmer in der höchsten Höhe des Palastes führte; dort stellte sie sich ans Fenster und betrachtete die in gleichmäßigen Windungen abfallende Stadt, die ein Muster aus Licht und Schatten bildete. Ihr fiel auf, daß Karbunkel im Grenzbereich zwischen dem immer gleichbleibenden Meer und dem sich ständig wandelnden Land befand, weder hierhin noch dorthin gehörend. Dort, wo sich früher eine schneebedeckte Wildnis erstreckt hatte, grünten nun Felder; hier und da sah sie Fabriken und Laboratorien, die ihre Energie aus dem Gezeitenkraftwerk Karbunkels bezogen. Im Süden wurde gerade ein neuer Industriekomplex gebaut. Sie drehte sich um und blickte landeinwärts. Dort lagen die dunkeln, geschützten Kuppeln des verlassenen Sternenhafens, hinter dem sich eine vom Schnee befreite, grüne Hügelkette erhob.
    Die höheren Gipfel im Landesinnern trugen noch Eiskappen, die mit metallischem Glanz durch die Wolken schimmerten. Selbst im Hochsommer waren die meisten dieser Gebirgszüge unzugänglich, nur ein paar nomadisierende Pfalla-Hirten trieben sich dort herum. Beim gegenwärtigen Stand der Technologie war das Gebirge unbewohnbar, und würde es wohl auch bleiben, bis die Außenweltler zurückkehrten. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie in dieser Schneewildnis verschollen und eine Gefangene der Nomaden gewesen war – dort hatte sie Gundhalinu kennengelernt.
    Sie blickte zum Himmel empor und dachte daran, wie sie gemeinsam vom letzten Bergkamm aus den Sternen-schauer beobachtet hatten, der über Karbunkel herabfiel ... künstliche Sterne aus holographischem Feuer, das die Ankunft der Hegemonischen Gesellschaft beleuchtete. Das Eintreffen der Raumflotte markierte den endgültigen Wandel, den Tod des Winters, die Wiedergeburt des Sommers – und den endlosen Kreislauf aus Sinnlosigkeit und Heuchelei.
    Sie sah zu, wie die Zwillingssonnen im Westen untergingen, und sie betrachtete den Himmelsozean mit den Inseln aus Wolken, dessen blauer Farbton sich immer mehr vertiefte. Das glitzernde Heer von Sternen war bereits zu erkennen, und sie wußte, daß irgendwo hinter dem flammenden Himmel die Hegemonie auf ihre Rückkehr wartete; und daß irgendwo da draußen der einzige andere Mann, den sie geliebt hatte, über eine Entfernung von Lichtjahren hinweg mit ihr in Kontakt getreten war ... unmöglich ...
    Ihr fiel der Traum ein, den sie vor zwei Nächten geträumt und nicht einmal Jerusha anvertraut hatte. Ihr träumte, sie würde im Transfer aus ihrem Körper hinausgezogen und in eine Schwärze hineinversetzt, in der nichts mehr existierte; sie befand sich im toten Herz des Sibyllencomputers. Aber es hatte weder Fragen noch einen Fragesteller gegeben. Sie hatte lediglich eine Stimme gehört –
seine
Stimme; die Worte verdichteten sich zu einer Sinfonie aus Licht, als er ihren Namen rief. Er hatte ihr gezeigt, daß er in Sicherheit und wohlauf war – dank ihrer Unterweisung. Und er hatte geschworen, daß er sie nie vergessen würde – sollte sie ihn jemals brauchen, wäre er für sie da, ganz gleich, wie.
    Als sie aufwachte, hörte sie die vertrauten nächtlichen

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