Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
war unpassenderweise vor kurzem gestorben.
»Bei einem Unfall mit dem Stardrive-Plasma verbrannt.«
So hatte man es ihm gesagt. Oder war es möglicherweise gar kein Unfall gewesen?
Unfälle passierten nun mal, auch Angehörige der Bruderschaft waren nicht dagegen gefeit. Und wenn jemand unbequeme Leute aus dem Weg räumen wollte, dann hätte eher er dran glauben müssen, Reede Kullervo. Er war am Leben und wohlauf, aber er steckte fest, ohne Zugang zu der Forschung, die im Gange war. Wenn er diesen Dummköpfen nicht zeigen konnte, wie man Stardrive-Material aufbewahrte und kontrollierte – während der zweiundeinhalb Jahre, die er gebraucht hatte, um hierherzukommen, hatten sie beide Probleme nicht gelöst – dann würde er es nie schaffen, eine stabile Probe nach Ondinee zu bringen, zu Mundilfoere .. .
Mundilfoere. Wenn sie doch nur bei ihm wäre und ihm sagte, er habe das richtige getan, ihn beriete, was er als nächstes unternehmen sollte. Er sehnte sich danach, von ihr umarmt zu werden.
Er stieß einen weiteren Fluch aus und rieb sich die Augen. Die Bruderschaft hatte Mitglieder auf Vier, aber es waren nicht viele, und er durfte nicht leichtfertig mit ihnen Kontakt aufnehmen. Jetzt, wo Tubiri tot war, hatten sie niemanden mehr, der am Forschungsprojekt mitarbeitete; und er wußte, wie streng die Sicherheitsvorkehrungen waren, im Vergleich dazu kam ihm die paranoide Abschottung der Tuo Ne'el-Kartelle wie ein offener Marktplatz vor. Er hatte jedes erdenkliche Argument ins Feld geführt, um endlich Zutritt zu den Laboratorien zu erlangen, ohne Erfolg. Dabei brauchte er nicht nur Zugang zu dem Projekt, sondern er mußte auch aktiv daran beteiligt werden. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Foursgate zurückzufliegen, der weltoffensten Stadt auf diesem Planeten und Zentrum des Handels mit der Außenwelt, um dort noch einmal ganz von vorn anzufangen.
Es klopfte an der Tür. Stirnrunzelnd stand er auf. Er erwartete keine Besucher, und er wollte auch niemanden sehen. »Niburu!« brüllte er. Aber nebenan gingen der Lärm und das Gelächter in unverminderter Lautstärke weiter. Leise fluchend ging er zur Tür; er blieb stehen, faßte unter sein Hemd und prüfte die Waffen, mit denen er sich ausgerüstet hatte.
Er spähte durch die Ein-Weg-Scheibe neben der Tür und erstarrte. Doch er nahm die Hand von der Waffe und löste die Verriegelung. Geräuschlos glitt die Tür auf. Vor ihm standen eine Einheimische, die am Forschungsprojekt beteiligt war, und ein Fremder. Die Frau kannte er, sie hatte versucht, am Nachmittag mit ihm zu sprechen. Plötzlich fiel ihm ein, daß sie eine Sibylle war. Nachdem man ihn sechs Stunden lang verhört hatte, um ihn dann doch abzuweisen, hatte er wütend geschrien: »Bei den Göttern, ich bin ein Fremder, fern von meiner Heimatwelt ...«
Sie und der Mann trugen dunkle, weitgeschnittene Regenmäntel; die Kapuzen beschatteten ihre Gesichter. Und blitzartig ging ihm auf, wen diese Frau zu ihm brachte. Reede hielt ihr die Hand entgegen. »Wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte er im einheimischen Dialekt. »Heute nachmittag konnten wir leider nicht miteinander sprechen.«
»Dafür können Sie nichts.« In feierlichem Ernst nahm sie seine Hand, und er spürte das heimliche Zeichen, das ihre Finger machten. »Ich bin Tiras ranKells Hahn«, sagte sie, wobei sie den Familiennamen nach örtlicher Sitte voranstellte. »Es tut mir leid daß ich Ihnen nicht helfen konnte, aber bei dem Projekt sind Außenstehende nicht gern gesehen. Darf ich Ihnen den Ehrenwerten Forscher Kommandant BZ Gundhalinu vorstellen?«
»Aber selbstverständlich ...« Reede streckte dem Mann die Hand entgegen, und er merkte, wie ihm vor Nervosität das Blut in die Wangen stieg. »Bei den Göttern, Sie können sich gar nicht vorstellen, wieviel mir Ihr Besuch bedeutet.« Mit strahlendem Lächeln blickte er ihm in die Augen. »Reede Kulleva Kullervo, vom Pandalhi-Forschungsinstitut. «
Gundhalinu reichte ihm die Hand in der typischen Kharemoughi-Manier, mit nach oben weisender Innenfläche. Rasch drehte Reede seine eigene Hand, so daß es ganz natürlich aussah.
Jetzt muß ich gut aufpassen! Ich darf keinen Fehler machen!
Heimlich tauschten sie Zeichen aus, und mit Befriedigung vermerkte Reede, daß alle stimmten. Natürlich gehörte Gundhalinu der Survey-Loge an, und bestimmt bekleidete er dort eine hohe Position.
»Stimmt es, daß Sie den weiten Weg von Kharemough auf sich genommen haben, um an dem Projekt
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