Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
mitzuwirken, und unsere übereifrigen Wachhunde haben Sie abgewiesen?« Gundhalinus Lächeln wirkte reserviert. Seine fast schwarzen Augen blickten Reede mit unverhohlener Neugier an.
Reede lachte leise. »Aus eurem Datenspeicher scheine ich verschwunden zu sein – und mein Kontaktmann ist bei einem Unglück verbrannt. Der hiesige Sicherheitsstandard setzt neue Maßstäbe für die gesamte Hegemonie.«
»Unsere Bürokratie, meinen Sie wohl.« Gundhalinu schüttelte den Kopf. »Es tut mir aufrichtig leid, aber an diesem Ort ist schon so mancher gescheitert. Dabei hätten Sie sehen müssen, wie es früher hier aussah, als es noch kein Forschungszentrum gab und die Stadt dem Konzern gehörte. Hier zu leben hätte ich meinem schlimmsten Feind nicht gewünscht.«
»Dennoch scheinen Sie damals hiergewesen zu sein.« »Ich fürchte, die Geschichte dieses Ortes ist auch die meine.« Gundhalinus Lächeln erlosch.
Reede vermutete, die Entdeckung des Stardrive-Plasmas habe den ganzen Wandel bewirkt.
Er spürte, wie Hahn langsam unruhig wurde. »Entschuldigen Sie meine schlechten Manieren, bitte, treten Sie ein.« Mit einer Handbewegung lud er sie und Gundhalinu ein, ins Zimmer zu kommen.
Hahn schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht bleiben, ich muß gleich wieder zurück. Meine Tochter ...«
»Wie geht es ihr eigentlich?« erkundigte sich Gundhalinu.
»Schon besser«, murmelte Hahn. »Sie macht langsam Fortschritte.« Sie zuckte die Achseln, eine Geste, die Reede hoffnungslos vorkam.
»Das höre ich gern«, sagte Gundhalinu mit sorgenvollem Blick.
»Es ist sehr gütig von Ihnen, daß Sie sich überhaupt an sie erinnern, Kommandant.«
»Schact!«
sagte Gundhalinu heftig. »Fang
du
nicht auch noch an, mich wie einen deiner geheiligten Vorfahren zu behandeln, Hahn. Du müßtest mich besser kennen.«
Überrascht wandte sie sich an ihn und lächelte. »Ja, sicher ... BZ.« Sie nickte und senkte wieder den Blick.
Er holte tief Luft. »Danke, daß du mich hierhergebracht hast, Hahn; und wenn ich etwas für dich tun kann ... du weißt Bescheid.« Sie lächelte ihm über die Schulter noch einmal zu und ging durch den Flur davon.
Gundhalinu sah Reede an. »Ihre Tochter ist eine Sibylle«, erklärte er, wobei er in seine Muttersprache Sandhi überwechselte, als hielte er es für selbstverständlich, daß Reede ihn verstünde. »Aber sie ist dafür nicht geeignet, sie ... « Er machte eine Handbewegung und blickte weg. »Egal.« Er betrat die Suite, und Reede schloß hinter ihm die Tür. Gundhalinu stutzte, als er das Licht und die Geräusche aus dem Nebenzimmer wahrnahm.
»Meine Gehilfen«, erklärte Reede. Auf einmal fühlte er sich grundlos befangen. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Auch er sprach jetzt Sandhi, wie Gundhalinu es offensichtlich von ihm erwartete. Er deutete auf die Couch.
»Danke.« Den Regenmantel warf Gundhalinu auf einen Sessel. Er trug die Ausgehuniform eines Polizeikommandanten; auf dem Rock blitzten ein Dutzend Tapferkeitsmedaillen und versprühten holographische Feuer. Daneben, beinahe unscheinbar, glänzte matt das Sibyllenkleeblatt.
Reede erstarrte vor Staunen.
Gundhalinu blickte ihn fragend an, als wüßte er nicht, was plötzlich in seinen Gastgeber gefahren war.
»Tragen Sie diese da auch im Bett?« fragte Reede.
Gundhalinu schaute an sich hinab und fing an zu lachen. »Bei den Göttern, nein.« Er zog den Uniformrock aus und warf ihn auf den nassen Regenmantel. »Ich komme gerade von einem unglaublich langweiligen Bankett, das anläßlich des Projekts gegeben wurde. Ein paar Würdenträger kamen zu Besuch.« Er lockerte seinen Kragen und massierte sich den Nacken. Reede merkte ihm an, wie müde er war.
»Der Preis des Ruhms«, murmelte Reede. Er ließ die Hände über seine eigene Bekleidung wandern und war froh, daß er immer noch den adretten, konservativ geschnittenen Kasack und die Pluderhose trug, die er zu dem Gespräch im Forschungszentrum angezogen hatte; sein Haar wurde im Nacken von einer silbernen Spange gehalten. Nachdem Gundhalinu Platz genommen hatte, setzte er sich zu ihm auf die Couch. Jetzt, wo der Hemdkragen offen war, konnte er an Gundhalinus Hals die Sibyllentätowierung sehen.
Gundhalinu hielt den Blick auf einen entfernten Punkt gerichtet. »Alles hat seinen Preis.« Dann betrachtete er die fast leere Flasche Ouvung und die halbvolle Schale mit Iesta-Schoten, die auf dem Tisch standen.
»Bedienen Sie sich«, forderte Reede ihn auf.
»Nein, danke, ich trinke nicht.«
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