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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Gundhalinu hob die eingedellte Flasche hoch, hielt sie gegen das Licht und beobachtete den toten Wurm, der in der roten Flüssigkeit schwamm. »Sie müssen einen sehr frustrierenden Tag hinter sich haben, Kullervo-eshkrad«, sagte er nicht ohne Mitgefühl. Reede kannte die Form der Anrede, die in Kharemoughs Technokraten-Kaste beliebt war; das Wort hatte zwei Bedeutungen:
Hochachtung
und
Wissenschaftler.
Normalerweise redeten sie sich nur untereinander so an, es galt als seltene Ehre, wenn sie einen Fremden damit titulierten. Er vermutete, daß seine vorgebliche Position als Forscher beim Pandalhi-Institut ihn für diese Auszeichnung qualifizierte.
    »Das stimmt«, gab Reede zu. Er war ein wenig verschnupft, weil er argwöhnte, daß Gundhalinu seine Trinkgewohnheiten insgeheim kritisierte.
    »Von diesem Zeug werden Sie einen fürchterlichen Kater bekommen«, fuhr Gundhalinu fort.
    Reede hob die Augenbrauen. »Das klingt ja, als hätten Sie eigene Erfahrungen damit. Und ich dachte, Sie würden nicht trinken.«
    »Sie haben beide Male recht.« Gundhalinu stellte die Flasche auf den Tisch zurück. »Offen gestanden, als Hahn mir sagte, Sie kämen aus Kharemough – und offenbar noch vom Pandalhi-Institut, keinem geringeren –, hatte ich erwartet, jemanden aus meinem eigenen Volk zu treffen. Fremde sind von unseren bedeutenderen Forschungseinrichtungen normalerweise ausgeschlossen, meine Leute sind in diesem Punkt sehr eigen. Also müssen Sie sehr ... ah ... qualifiziert sein.«
    Reede deutete ein Lächeln an. »Das bin ich auch.« Beinahe enttäuscht betrachtete er Gundhalinu. In seiner Phantasie hatte er ihn sich ganz anders vorgestellt. An BZ Gundhalinu war absolut nichts Besonderes, er verkörperte den typischen Kharemough-Tech: mittelgroß, schwarzhaarig, schlank, schätzungsweise Anfang drei ßig. Sein feingeschnittenes Gesicht war mit helleren Flecken gesprenkelt, wie es bei Abkömmlingen des Adels manchmal vorkam. Ein neurotischer überzüchteter, selbstgerechter Schwächling. Wer hätte gedacht, daß ausgerechnet er die größte Entdeckung der neueren Geschichte machen würde, wahrscheinlich am allerwenigsten er selbst, trotz seiner angeborenen Arroganz. Die Kharemoughis hielten sich für die Herren der Hegemonie, und das schlimmste daran war, daß sie tatsächlich glaubten, diese Vormachtstellung käme ihnen von rechts wegen zu.
    »Obendrein sind Sie ein einflußreicher Fremder, fern von seiner Heimatwelt.«
    Reede nickte; dieses Mal blickte er Gundhalinu selbstsicher in die Augen. »So wie Sie.«
    »Dann sind Sie auch ein Sibyl?«
    »Ich?« Vor Überraschung lachte er. »Nein, dazu würde ich mich wohl kaum ... eignen.« Seine Hand zuckte und wollte nach der Flasche Ouvung greifen, doch er beherrschte sich.
    »Bei mir hätte ich es auch für unmöglich gehalten.« Gundhalinu befingerte das Kleeblattmedaillon, als könne er immer noch nicht recht glauben, daß es an seinem Hals hing.
    »Für Sie muß es doch eine Erleichterung sein«, meinte Reede.
    Gundhalinu sah ihn fragend an.
    »Den Beweis dafür zu haben, daß Sie sich auf sich selbst verlassen können.«
    Gundhalinu lächelte schwach, betrachtete kurz das Kleeblatt und ließ es wieder an der Kette baumeln. »Kulleva Kullervo ... ist das nicht ein samathinischer Name?«
    Reede hob die Schultern. »Ja, aber ich ging schon vor langer Zeit dort weg.« Plötzlich durchdrang ihn eine Erinnerung wie ein schmerzhafter Stich, und er blickte zum Fenster hinaus in die Nacht:
Im untermeerischen Dämmerlicht kauerte ein weinender kleiner Junge zwischen wuchtigen Tanks, wo sein drogenverseuchter Vater ihn nicht hören konnte; der Mischlingswelpe, den er an seine Brust preßte und den er mehr hebte als jedes menschliche Wesen, leckte ihm winselnd die Tränen ab. Er fühlte das nasse Fell, und er spürte, wie die Feuchtigkeit sein Hemd durchdrang; er weinte, weil sein Vater zuerst den Hund und dann ihn geschlagen hatte ... ohne Grund.
Reede preßte sich eine Hand gegen die Augen und atmete tief durch, während er in Gedanken ein Adhani aufsagte.
    »Wer ist denn jetzt der Chef des Pandalhi-Instituts?« fragte Gundhalinu nun schon zum zweitenmal.
    Reede lehnte sich gegen das weiche Polster der Couch, das ihn wie in einer Umarmung umfing. »Tallifaille. Jedenfalls war sie die Chefin, als ich abreiste.«
    »Und wie geht es dem alten Darkrad?«
    Reede schmunzelte. »Unverändert, würde ich sagen.«
    Gundhalinu beugte sich vor. »Darkrad ist seit zwölf Jahren

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