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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Mal hierherkam, war ich noch kein Sibyl.«
    »Was ist passiert?« flüsterte Reede, der sich die Frage nicht länger verheißen konnte. »Mit Ihnen und mit Ihren Begleitern?«
    »Spadrin ermordete Ang«, antwortete Gundhalinu heiser. »Und ich ermordete Spadrin. Viele Stichwunden
    Reede stockte der Atem.
    »Als ich den Feuersee erreichte, nachdem ich Spadrin getötet hatte, wurde ich von irgendwelchen Kerlen aus Sanctuary aufgegriffen ... Sie schleppten mich hierher, und Song infizierte mich.«
    Reede furchte die Stirn. »Gegen Ihren Willen?«
    »Ja.« Gundhalinus Hand umklammerte schmerzhaft das Sibyllenmedaillon. Er ging fort und suchte sich einen Weg durch die am Boden liegenden Trümmer. Sie liefen durch die verlassenen Straßen, vorbei an Schutthaufen, stiegen zerborstene Stufen und beschädigte Metalleitern hinab.
    »Warum?« fragte Reede schließlich.
    Gundhalinu blieb stehen und schwenkte auf dem Absatz herum. »Was wollen Sie wissen? Warum ich hier-herkam? Weil mein Leben seinen Sinn verloren hatte, für mich gab es nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Oder fragen Sie, warum Song mich infizierte? Weil wir beide nach World's End gegangen waren ...« Seine Stimme brach ab. Auf Nummer Vier bedeutete
nach World's End gehen: den Verstand verlieren.
»Sie wollte einen Gemahl ...« Er starrte auf einen Turm, der hoch über die Stadt hinausragte, und dessen Mittelteil durch eine Platte aus massivem Fels ersetzt war. »Vielleicht glaubte sie, sie fände ihren Frieden, wenn sie mich dem Feuersee opferte ...« Er hob beide Hände. »Danach konnte auch ich den Feuersee sprechen hören, so wie sie. Es dauerte jedoch sehr lange, bis ich verstand, was er mir mitzuteilen versuchte. Ich glaubte wirklich, ich sei verrückt geworden. Doch anstatt dem Wahnsinn zu verfallen, wurde ich geheilt.«
    Er ging weiter, ohne darauf zu achten, ob Reede ihm folgte. Reede drang immer tiefer in die Fieberträume Gundhalinus ein. »Bevor ich alles begriff, hätte ich mich um ein Haar selbst umgebracht.« Er deutete nach vorn, zum Rand der Schlucht, auf die sie zustrebten. »Damals war ich zutiefst verwirrt.«
    »Ich kenne dieses Gefühl«, murmelte Reede. Er spürte, wie seine Lippen ausdorrten und aufplatzten. »Bei den Göttern, ich kenne es ...« Gundhalinu zögerte und sah ihn an. »Man weiß nicht einmal mehr, was man fragen muß. Wenn einem Fragen einfielen, wüßte man wenigstens, was einem fehlt ...« Plötzlich brannten Tränen in seinen Augen, wie wenn ein Teil von ihm immer trauern wollte – um das unbeschreibliche Unrecht nicht zu vergessen, das ihm angetan worden war, und für das es keine Wiedergutmachung gab. Er hielt den Kopf gesenkt und betrachtete den trümmerübersäten Boden. »Wenn ich arbeite, fallen mir immer Fragen ein. Aber ...«
    »Genau«, erwiderte Gundhalinu. Als er sich umdrehte, stolperte er plötzlich. Instinktiv streckte Reede den Arm aus, um ihn zu stützen. Gundhalinu nickte und berührte dankbar seine Schulter. Dann setzten sie Seite an Seite ihren Weg fort. »Das ist das erste was man lernt, wenn man in die Survey-Loge eingeführt wird: Alle Fragen sind bereits da, man muß sie nur aufgreifen. Das Wichtigste ist, die richtigen Fragen zu stellen.« Gundhalinu lachte, es klang grell und bitter. »Es hört sich so einfach an. Welchen Preis das Fragen kostet, erfährt man erst, wenn es zu spät ist.« Er trat nach einem Stein und kickte ihn die Schlucht hinunter. Danach schritt er schneller aus, wie wenn der Abgrund ihn anzöge.
    Als sie die Abbruchkante erreichten, griff Reede nach Gundhalinus Arm. Gundhalinu schüttelte lächelnd den Kopf, und Reede ließ ihn wieder los. Gundhalinus Blick folgend, spähte er nach unten. Mit einer Mischung aus Furcht und Beschwingtheit schaute er in die Tiefe, wo in einem felsigen, steilwandigen Bett ein grüngeäderter Fluß verlief.
    Gundhalinu stieß den Atem aus, und es klang wie ein Seufzer. »Da ist es.«
    Reede ließ den Blick flußaufwärts wandern bis zu der Stelle, wo die Canyons sich kreuzten; dort entdeckte er etwas, das glänzte und funkelte, während das Wasser, das unablässig daran vorbeirauschte, das Licht brach. Es war etwas Großes, Metallisches, dessen unvollständige Form ihm jedoch merkwürdig vertraut vorkam. »Das Schiff!« stellte er fest.
    »Richtig«, flüsterte Gundhalinu ehrfurchtsvoll. »Genauso habe ich es in Erinnerung.« Mühelos am Rande des Abgrunds balancierend, kauerte er nieder und ließ den Augenblick des Wiedererkennens auf

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