Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
verstanden?«
Niburu nickte. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, als er begriff, was Gundhalinu meinte. »ist es denn wirklich so gefährlich?« fragte er mit einer Naivität, die Reede schon kindisch fand. »Ich ... ich hätte gern zugeschaut.« Aus Gewohnheit sah er Reede an und wartete auf dessen Reaktion. »Ich dachte, bei den früheren Tests hätte der Impfstoff perfekt gewirkt.«
Reede bemühte sich, teilnahmslos dreinzuschauen. »So war es auch. Aber die Menge, an der wir die Vaczine ausprobierten, war gering, und wir hatten die Situation viel besser im Griff. Eigentlich dürfte es keine Probleme geben, aber Gundhalinu hat gesehen, was passieren kann, wenn etwas schiefgeht.« Er drehte sich um und begegnete Gundhalinus ruhigem Blick. »Wissen Sie«, sagte er unvermittelt, »es reicht, wenn einer von uns den Test durchführt. Warum steigen Sie nicht mit den anderen in den Rover? Sie brauchen nichts zu riskieren.« Er merkte, wie Niburu ihn überrascht anstarrte, und zu seiner eigenen Verwunderung wurde ihm klar, daß einem Teil von ihm der Fortbestand seines Werks wichtiger war als seine jetzige Mission, ja, sein eigenes Überleben ...
Gundhalinu hob eine Augenbraue. »Ich setze vollkommenes Vertrauen in den Vorgang.«
Reede furchte die Stirn. »Das ist töricht, seien Sie kein Narr. Wenn wir beide umkommen, gibt es niemanden mehr, der das Projekt fortsetzen könnte.«
Gundhalinu lächelte. »Das Werk ist komplett dokumentiert.« In seinen Augen brannte ein seltsames Licht. »Reede, seit Jahren warte ich auf diesen Moment . vielleicht mein ganzes Leben lang.«
Reede zuckte die Achseln und lächelte gekünstelt. Er hatte dafür gesorgt, daß die Dokumentation an den entscheidenden Stellen unvollständig war; niemand, außer Gundhalinu, der eng mit ihm zusammengearbeitet hatte, konnte die einzelnen Schritte des Forschungsprojekts nachvollziehen. »Na schön, ich kann Sie ja verstehen ... Niburu, räum das Feld!« Er gab ihm einen Wink, und in dem Blick, den Niburu ihm zuwarf, glaubte er so etwas wie Bewunderung oder gar Neid zu erkennen. Niburu führte Ananke und Saroon aus dem Labor.
Sobald sie fort waren, begann Reede mit den Vorbereitungen. Gundhalinu assistierte ihm so geschickt, als hätten sie schon immer im Team gearbeitet. Sie versiegelten die Kuppel durch ein schützendes Energiefeld, schalteten die Monitore ein, aktivierten die Geräte, die den Impfstoff in das Containermodul praktizieren sollten und prüften zweimal die peripheren Apparaturen. Aus einem Isolierbehälter entnahm Reede eine Phiole mit geimpftem Plasma und führte es in die Zuleitung ein, die den Schutzschirm durchdrang.
Gerade als das System zum letztenmal durchgecheckt worden war, meldete Niburu über Funk den Start des Rovers. Reede gab dem Computer ein paar Befehle und drückte mit dem Daumen auf den leuchtenden Punkt, der die Prozedur einleitete. Gundhalinu stand neben ihm und biß sich auf die Handknöchel.
Reede zupfte an seinem Ohr, instinktiv auf ein Feedback wartend – das aber nicht eintrat. Plötzlich wurde ihm bis zur Unerträglichkeit bewußt, daß er auf einmal nichts hören konnte; dieses Gefühl quälte ihn, seit er sich zurückerinnern konnte; es hatte nichts mit Taubheit zu tun,
es war ... es war ...
Ärgerlich konzentrierte er sich wieder auf die Displays und sah zu, wie auf dem Monitor ein primitives dreidimensionales Bild erschien, das die Vorgänge innerhalb des Containers ansatzweise wiedergab.
Gespannt beobachteten sie, wie der Impfstoff an seinen Platz gelangte, und die Apparaturen Schritt für Schritt ihren präzisen Anweisungen folgten. Sperren wurden gelöst, Schutzschirme durchlässig gemacht ... Dann öffnete sich der Stasiskäfig, der das Stardrive-Plasma gefangenhielt. Reedes Hände zuckten, als das Vakzin mit dem Plasma in Berührung kam.
Die statische Masse aus Licht, die Simulation dessen, was sich in dem Modul befand, erwachte in dem Augenblick zum Leben, als das Stardrive-Plasma freigesetzt wurde. Sie brodelte, begann sich zu spalten und zu verändern, bis das Bild sich in ein unverständliches Chaos verwandelte. Gundhalinu fluchte und faßte sich an den Kopf.
Reede zwang sich dazu, hinzuschauen, obwohl er am liebsten die Augen geschlossen hätte. Er erkannte, daß das gärende Durcheinander allmählich eine neue Form annahm – die sich so lange umwandelte, bis sie in seinen Augen einen Sinn ergab; Muster verschmolzen zu tanzenden Flammen, erstarrten wie im Frost, zeichneten fremdartige
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