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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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weiter als die biologische Hülle für einen genialen Geist. Doch dieses Genie verbrennt dich, Reede, es zerfrißt den letzten Rest, der von deinem eigenen Gehirn noch übriggeblieben ist ...«
    »Du verdammter Bastard!« Reede schnellte nach vorn und prallte schmerzhaft gegen eine unsichtbare Wand. Er konnte Jaakola weder berühren, noch sich die Ohren zuhalten. Jedes Mal, wenn er sich wehrte, zogen sich die Fesseln noch enger zusammen.
    »Glaubst du mir etwa nicht?« fragte Jaakola in gekränktem Ton. »Dann erzähl mir von dir! Womit hast du dich als Kind gern beschäftigt? Wie war deine Familie? Wo gingst du zur Schule? Als du zu Humbaba kamst, verfügtest du über ein Wissen, wie es sich selbst ein brillanter Biochemiker im Laufe seines ganzen Lebens nicht aneignen kann. Dabei warst du erst siebzehn Jahre alt. Wie hast du das geschafft? Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht?«
    »Ich weiß, wer ich bin«, entgegnete Reede mit heiserer Stimme.
    »Dann beantworte meine Fragen.« Jaakola wartete, und die Stille dehnte sich aus. In Reedes Kopf hallten Schreie und geflüsterte Worte, seine Erinnerung bestand nur aus wirren Fragmenten, ohne Sinn und Zusammenhang. »Oder kannst du es etwa nicht?« Jaakola lachte glucksend, wie Wasser, das einen Abfluß hinab-gurgelt.
    »Mundilfoere!« schrie Reede; vor ihm tat sich ein bodenloser Abgrund aus Angst auf. »Ich will Mundilfoere bei mir haben!«
    »Natürlich«, murmelte die Quelle. »Damit sie sich streichelt und liebkost, bis du alles vergißt: sie soll dir sagen, daß alles nicht so schlimm ist, und versuchen, dir deine geistige Gesundheit zu erhalten, bis du deinen Zweck erfüllt hast. Du liebst sie mehr als deine eigene Seele, nicht wahr? Kein Wunder – sie hat dir ja deine Seele geraubt.«
    »Sie liebt mich!«
    »Gewiß ...«, murmelte Jaakola. »Ich glaube, sie hat dich wirklich geliebt. Aber sie war auch nur eine Frau – schwach und mit charakterlichen Mängeln, trotz ihrer Intelligenz. Es war ein dummer Fehler von ihr, sich in ihr Opfer zu verlieben ... aber es ließ sich wohl nicht vermeiden und wurde ihr zum Verhängnis. Sie wollte dich nicht an mich abtreten, auch nicht, um sich selbst zu retten.«
    Reedes Herz setzte einen Schlag aus. »Nein! Du sagtest doch, sie sei nicht in der Zitadelle gewesen.«
    »Das stimmt.« Der unförmige Schatten regte sich. »Sie hielt sich nicht dort auf, aber ich sagte nicht, daß sie zum Zeitpunkt des Angriffs noch am Leben war.«
    »Ich glaube dir gar nichts.« Reede stieß die Worte zwischen blutleeren Lippen hervor. Schweiß perlte von seiner Stirn, doch er konnte ihn nicht abwischen.
    »Wie ich bereits sagte, hat sich während deiner Abwesenheit manches verändert. Meine Macht wuchs, das Schicksal lieferte mir Mundilfoere in die Hände – und dich dazu. Auf euch beide habe ich lange gewartet. Und sie ist sehr langsam gestorben – dafür habe ich persönlich gesorgt.«
    »Das glaube ich nicht«, flüsterte Reede und schloß die Augen. »Es kann nicht wahr sein. Mundilfoere wird mich hier herausholen, sie läßt mich nicht im Stich.«
    »Du willst Mundilfoere? Mehr als deine Seele, mehr als dein Leben?«
    »Ja.
Ja!«
schrie Reede und klammerte sich an die Hoffnung wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Jaakola konnte von ihm verlangen, was er wollte, für Mundilfoere war ihm kein Preis zu hoch. »Ich gebe dir alles, was ich habe; alles!«
    »Dann sollst du sie bekommen«, wisperte die Quelle. »Oder was noch von ihr übrig ist.«
    Reede spürte, wie etwas Winziges in seinen Schoß fiel. Blind starrte er in die Dunkelheit, unfähig, auch nur die Hand zu rühren. Er fing an zu zittern.
    Ein dünner, heller Lichtstrahl schoß aus der Finsternis hervor und beleuchtete das Ding, das in seinem Schoß lag. Reede war übel, aber er zwang sich, genau hinzusehen.
    Ein menschlicher Daumen.
Das trockene, verkrustete Blut war beinahe genauso dunkel wie die ausgedorrte Haut. An dem Stumpf aus Knochen und Fleisch befand sich ein schwerer Silberring mit zwei gefaßten Soliis; es war der Hochzeitsring, den er Mundilfoere vor seiner Abreise geschenkt hatte.
    Vor Schmerz und Kummer stieß Reede einen Schrei aus, der aus der Tiefe seiner Seele kam; er hörte erst auf zu brüllen, als seine Stimme versagte. Im selben Moment erlosch der Lichtstrahl.
    Als nur noch Reedes Schluchzen in der Finsternis zu hören war, fing die Quelle an zu lachen.
    Zum Schluß sagte Jaakola: »Darauf habe ich auch lange gewartet, Reede ... dich so schreien zu

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