Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
verhindert, daß ich heimfliege?«
»Weil du kein Heim mehr hast.« Der schwarze Schatten bewegte sich.
Reedes Finger krallten sich in die Sitzpolster, als ihm der Feuerball wieder einfiel, in dem die Zitadelle vor seinen Augen verglüht war. Doch abrupt zog er die I lände zurück, weil das Material des Sessels ihm plötzlich eine Gänsehaut verursachte. »Mögen die Götter dich verdammen, wenn Mundilfoere in der Festung war!«
»Sie war nicht da, als wir die Zitadelle angriffen«, murmelte die zerrissene Stimme. »Darauf kannst du dich verlassen.«
Reede sank in den erstickend weichen Sessel zurück, und seine verkrampften Muskeln entspannten sich. »Aber warum ...?«
»Um etwas zu beweisen; um einen Mittelsmann loszuwerden; um zu demonstrieren, wie sehr mir daran liegt, dich als Verbündeten zu gewinnen. Du und jeder kleine Handlanger da draußen im Dornendschungel solltet sehen, was wirkliche Macht bedeutet ... und auf diese Weise verschaffte ich mir nach außen hin ein Motiv, dich, einen Biochemiker ohne Patron, in meine Dienste zu nehmen.«
»Das ist Wahnsinn«, sagte Reede. Nichts, was er bisher gehört hatte, ergab einen Sinn, die Situation wurde immer verrückter. Er begann sich zu fragen, ob Jaakola wirklich geistesgestört war, oder ob er nur mit ihm spielte. »Du weißt, daß ich mein Labor in Humbabas Festung hatte. Wir hatten eine Vereinbarung getroffen, ich versorgte ihn mit Drogen, und er fragte mich nicht über meine richtige Arbeit aus. Er gehörte ja nicht mal der Survey-Loge an.«
»Er war Mundilfoeres Schoßhund.« Jaakola kicherte boshaft. »Wir beide wissen, warum er so erfolgreich war und wer in der Zitadelle wirklich das Kommando hatte. Nun, da die Bruderschaft über das Stardrive-Plasma verfügt, braucht unser frühreifer Schmied einen Arbeitsplatz, wo er die neue Technologie entwickeln kann. Einen besseren Ort als diesen hier kann ich mir nicht vorstellen. Die Quelle und der Schmied – in perfekter Symbiose. Ich verlange nicht, daß du mir Loyalität vorheuchelst ... so was liegt mir genausowenig wie dir. Es wird ein pragmatisches Abkommen zwischen uns beiden geben ... ich habe die Kontakte, stelle die technische Ausrüstung und sorge für die Ressourcen – was immer du brauchst ... Du kannst mich ›Meister‹ nennen, wie alle hier.«
»Leck mich am Arsch!« fluchte Reede. »Du wirst mir keine Befehle erteilen. Das hier ist kein Logen-Treffen, auf dem abgestimmt wird. Nur du und ich sind hier, zwei gleichberechtigte Mitglieder.«
»Es ist nicht nötig, ein Treffen anzuberaumen. Die Angelegenheit wurde schon lange vor deiner Rückkehr innerhalb der Bruderschaft geregelt.«
»Wovon sprichst du?« brauste Reede auf. »Mundilfoere würde niemals ...«
»Du warst lange fort, Reede, in dieser Zeit hat sich vieles verändert – Bündnisse, Machtverhältnisse, einzelne Schicksale. Und du bist kein gleichberechtigtes Mitglied in der Bruderschaft, bist es nie gewesen. Du warst nicht Humbabas Besitz, sondern der von Mundilfoere.
Reede schüttelte den Kopf; ihm war zumute, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. »Das ist eine Lüge.«
»Glaubst du im Ernst, du hättest je auf derselben Stufe gestanden wie ich? Selbst Mundilfoere nahm einen wesentlich höheren Grad ein. Was hat sie dir eigentlich eingeredet? Gewiß, auf Mundilfoeres Drängen hin hat man dich in die inneren Zirkel aufgenommen und dich sogar in den zehnten Grad erhoben. Aber du weißt nicht, wieviele Grade es darüber noch gibt, und du hast keinen blassen Schimmer, was da droben über deinen Kopf hinweg beschlossen wird. Humbaba war Mundilfoeres Werkzeug, und sie verstand ihn trefflich zu nutzen ... genauso, wie sie dich benutzt hat.«
»Mutterficker!« Reede wollte aufstehen – doch es ging nicht. Mit aller Kraft versuchte er, sich gegen die unsichtbaren Bande, die ihn festhielten, anzustemmen, ohne Erfolg. Seine Muskeln spannten sich vor Anstrengung, ohne daß er auch nur das geringste erreichte. Erst als er den Kampf aufgab und sich wieder zurücklehnte, ließ der Druck gegen seinen Körper nach.
»Du warst immer ihr liebstes Werkzeug, Reede«, fuhr Jaakola fort, als habe er von Reedes Anstrengung nichts gemerkt. »Ihr zweiter Schoßhund: der intelligente, der hübsche ... Dabei hat sie dich selbst gemacht, Reede – aus gestohlenen Teilen. Es gibt keinen Reede Kullervo. Früher einmal hatte es ihn gegeben, doch das ist lange her. Du bist kein Mensch, du bist lediglich ein Stück Fleisch, nichts
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