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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Frustration und Erleichterung. Mit jedem Jahr, das verging, ohne daß die Hegemonie auf ihre Welt zurückkehrte, gewann sie Zeit, ihr Werk voranzutreiben. Manchmal mußte er gegen den Wunsch ankämpfen, den Prozeß zu verzögern, den er selbst in Gang gesetzt hatte; ihm schwante, daß er dadurch dem Symbol, das sie beide miteinander verband, am meisten diente.
    Doch dann erinnerte er sich an ihr Gesicht – an ihren Geist, der, in eine blaue Aura gehüllt, am Rand des Feuersees nach ihm griff. Eine Erinnerung an die Zukunft war es, die Verheißung, daß sie diesen Augenblick noch erleben würden ...
Ich brauche dich.
    Er vergegenwärtigte sich, daß er älter wurde, und daß sie ... Seit ihrer Trennung waren für ihn neun Jahre vergangen, für sie, die auf Tiamat geblieben war, jedoch sechzehn. Er konnte es nicht fassen, daß es schon so lange her war; die Jahre schienen dahinzuschmelzen wie der Schnee auf Tiamat im Frühling. Während der ganzen Zeit hatte er ihr Gesicht nicht gesehen, außer, als sie ihm als Geist erschienen war. Nur zweimal hatte er mit ihr gesprochen, während der Transfers; das erste Mal war er halb verrückt, weil der Feuersee ihn in ein Delirium versetzt hatte, beim zweiten Mal benutzte er Hahn als Medium und wollte Mond nur wissen lassen, daß er noch lebte.
    Gelegentlich fragte er sich, ob er sich nicht selbst täuschte, ob er sich vielleicht an den Traum von einer großen Liebe klammerte, die es gar nicht geben durfte ... die von Anfang an eine Illusion gewesen war. Trotz allem waren seine Erinnerungen an die Zeit mit Mond Dawntreader – als er sich lebendiger fühlte denn je – für ihn genauso real wie sein eigenes Gesicht im Spiegel, das um die Augen herum Falten bekam, die vor neun Jahren noch nicht dagewesen waren.
    Dann vertrieb die Frustration die Sehnsüchte, und er schuftete weiter, überwachte, stritt sich herum, korrigierte Fehler. Jetzt arbeitete er nicht nur mit den Spitzenforschern in den Habitats zusammen, sondern auch mit den Bauingenieuren und Handwerkern draußen auf den Werften. Er stellte fest, daß er sich mit ihnen genausogut verstand wie mit den Angehörigen seiner eigenen Kaste, oft sogar besser. Indem er ihr Vertrauen und ihre Loyalität gewann, verdoppelten sie ihre Anstrengungen, die Pläne zu konkretisieren, die die Techniker entwarfen und von ihm verbessert und modifiziert wurden.
    Aber sein lässiger, kameradschaftlicher Umgang mit den niederen Klassen erregte mancherorts Unmut und Besorgnis, besonders bei den Politikern. Natürlich wußte er, daß er seine Standesgenossen nicht verprellen durfte, besonders nicht im Hinblick auf seine leicht anrüchige Vergangenheit, die nie ganz vergessen sein würde, auch wenn es unter den Hochgeborenen, die auf Kharemough den Ton angaben, als taktlos galt, darüber zu sprechen. Er wollte so schnell wie möglich nach Tiamat zurück, denn dorthin zog es die Elite, die nach dem Wasser des Lebens gierte. Nicht nur, daß er vor ihnen dort eintreffen mußte, er brauchte auch eine gewisse politische Macht, wenn er über die Zukunft dieser Welt, dieser Menschen – und der Königin, mitbestimmen wollte. Wenn er es nicht schaffte, der Ausbeutung ein Ende zu setzen, dann hätte sein Lebenswerk darin bestanden, Tiamat und Mond zu verraten.
    Er wandte sich von den Fenstern ab; an dem mit Dunstschleiern verhangenen Abendhimmel glühten matt die ersten Sterne. Tiamats Zwillingssonnen waren nicht zu sehen, dazu lagen sie zu weit entfernt, am anderen Ende einer Passage, die sich durch die Raumzeit krümmte und an einer Schwarzen Pforte endete. In gewissem Sinn war die Hegemonie ein Imperium der Zeit, und nicht des Raums– ein Zusammenschluß von Welten, die durch die Schwarzen Pforten innerhalb einer akzeptablen Reisezeit erreicht werden konnten, im physikalischen Raum jedoch keinen Bezug zueinander hatten. Doch das würde sich in Kürze ändern.
    Ihm fiel ein, daß er sich umziehen mußte, wenn er überhaupt noch an dem Fest teilnehmen wollte, das außerhalb der schönen Doppeltür aus Silberholz im Gange war; andernfalls fände die Feier ohne den Ehrengast statt. Er war hier, um zerstrittene Parteien zu versöhnen, zu vermitteln, zu betören und zu manipulieren. Während seines Dienstes auf der bürokratisch beherrschten Welt Nummer Vier, hatte er sich ein beträchtliches diplomatisches Geschick angeeignet.
    Er kannte die gesellschaftlichen Spielregeln, er wußte, womit er sich bei wem anbiedern konnte. Nun, da der Bau der

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