Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
sie sich über sie lustig machte. »Und deine Kinder hast du mitgebracht, damit sie ihr Erbe kennenlernen – zum erstenmal. Aber dein Angetrauter ist nicht dabei.« Sie hob die Brauen.
»Er hatte zu viel zu tun ... in der Stadt.« Es war eine Ausflucht und klang auch so. Mond fragte sich, ob Capella Goodventure ihn für verderbt hielt, wegen seines Umgangs mit den Winterleuten, oder ob sie mehr über seine Vergangenheit wußte, als sie sagen wollte.
»Ich bin gekommen, weil ich mich wieder ganz als eine Sommer fühlen wollte. Du hast recht, wenn du meinst, ich hätte zuviel Zeit in der Stadt verbracht.« Mond merkte, wie sie wieder in den alten Dialekt verfiel. Plötzlich wurde ihr klar, daß sie die Wahrheit gesagt hatte. In der Annahme, den Willen des Sibyllennetzes zu erfüllen, hatte sie sich in die Beschäftigung mit der Technologie gestürzt und darüber vieles vernachlässigt; sie hatte sich eingeredet, es sei der einzige Weg, um Tiamat zu retten.
Doch die Nachricht von der unverhofften Rückkehr der Hegemonie hatte ihr gezeigt, daß sie sich die ganze Zeit über geirrt hatte. Sie hatte gedacht wie Arienrhod, und sie hatte deren Fehler wiederholt. Aber das Sibyllennetz hatte sie wegen der Eigenschaften, die sie von Arienrhod unterschieden, als Werkzeug und Mittlerin auserwählt. Sie war eine Sibylle, und nicht Arienrhod; sie war eine Sommer, und genau darauf kam es jetzt an; was sie sonst noch alles verkörperte, mußte sie vergessen.
Capella Goodventure starrte sie schweigend und skeptisch an. »Außerdem kam ich hierher ...« – Mond beeilte sich, die Worte auszusprechen, ehe ihr Mut sie verließ –, »um mit dir Frieden zu schließen – wenn du es willst.«
Capella Goodventure erstarrte, wie wenn sie eine Falle witterte. »Was meinst du damit?«
»In all den Jahren waren wir nie einer Meinung«, begann sie behutsam. »Nicht nur in Fragen der Tradition, sondern in allen Angelegenheiten, die unsere Zukunft betreffen. Doch trotz unserer ... Unterschiede, finde ich, daß du eine gute Frau bist, und nur versuchst, den Willen der Herrin zu erfüllen. Ob du es glaubst oder nicht, aber dasselbe trifft auf mich zu. Wir beide möchten das Tiamat, das wir lieben, erhalten, und seine beiden Völker beschützen, die Menschen und die Mers.«
Capella Goodventure runzelte leicht die Stirn und zuckte ungeduldig die Achseln; Mond verstand ihre Reaktion nicht zu deuten. »Das mag ja stimmen, ich will es gar nicht abstreiten. Aber darüber hinaus haben wir zwei nichts gemeinsam, Mond Dawntreader. Du wirst nie mehr die Sitten und Gebräuche der Sommer annehmen, und dein Gesicht wird immer verraten, wer du in Wirklichkeit bist. Die Schneekönigin.«
Mond spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie verbiß sich die ärgerliche Antwort, die ihr auf den Lippen lag; Tammis sah sie an, und Capella Goodventure musterte sie mit offenkundigem Mißtrauen. Mond gab Tammis einen Wink, er möge sie mit Capella alleinlassen. Zögernd ging er davon und blickte sich stirnrunzelnd nach ihnen um. »Ich habe die Maske der Sommerkönigin ehrlich gewonnen, weil die Herrin es so wollte. Zweifelst du etwa an ihrem Beschluß?« Gespannt wartete sie auf Capellas Antwort, wobei sie befürchtete, die ältere Frau könnte merken, daß sie lediglich ein Lippenbekenntnis ablegte.
Doch Capella kniff die Lippen zusammen und starrte auf den Boden. »Die Herrin geht manchmal seltsame Wege«, murmelte sie. »Selbst Angehörige meines eigenen Clans sind geneigt, die Veränderungen zu billigen, die du uns im Namen der Herrin aufgezwungen hast. Aber ich verstehe das nicht und werde es nie verstehen.« Sie wollte sich umdrehen.
»Warte!« Monds Ausruf klang wie ein Befehl, und zu ihrer Überraschung gehorchte Capella Goodventure prompt. »Es steht viel mehr auf dem Spiel, als du ahnst – es geht um Wichtigeres als um deinen oder meinen Stolz. Ich muß dir etwas zeigen, und ich habe dir etwas zu erzählen.«
Capella Goodventure zögerte, blieb aber stehen. »Wirst du mit mir an den Strand hinuntergehen?« fragte Mond.
Capella nickte bedächtig und folgte ihr. »Was hat das zu bedeuten?«
»Es geht um etwas, an das wir beide von ganzem Herzen glauben – nämlich, daß wir die Mers schützen müssen.«
Erschrocken hob die Clanälteste den Kopf und hörte auf, ihren eigenen Schatten zu betrachten, der ihr über das Gras vorauseilte. »Jetzt, da die Außenweltler Tiamat verlassen haben, sind die Mers nicht mehr gefährdet. Im Laufe des Sommers
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