Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Jahren zum erstenmal an. »Mir ist, als ob ich träumte«, murmelte Capella und schaute gedankenverloren aufs Meer hinaus. »Vielleicht hat die Herrin auf ihre Weise zu uns allen gesprochen. Ihr behauptet also, ihr könntet euch mit diesem Merling verständigen ... Er sei euch auf euren Befehl hin bis hierher gefolgt?«
»Nicht Befehl, sondern Wunsch«, verbesserte Miroe.
Jerusha stieß ihn in die Rippen. »Es beruht teils auf Verständigung, teils auf Vertrauen«, erklärte sie. »Wir scheinen sehr wenig mit den Mers gemeinsam zu haben ... Wir wissen nicht mal, wie man ihnen Fragen stellt. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit ihren Gesängen, und die können wir nicht verstehen.«
»Mit ihren Gesängen verehren sie die Herrin«, erklärte Capella rundheraus. »Nicht mehr und nicht weniger. Wir brauchen sie nicht zu verstehen.«
»Aber wir haben Muster in ihren Liedern entdeckt, die an die traditionelle Musik des Sommervolks erinnern«, sagte Mond mit erzwungener Ruhe. »Bei dem heutigen Fest möchten wir uns gern mit Leuten unterhalten und ihre Lieder aufnehmen – überhaupt interessieren wir uns für alte Legenden, Geschichten, Aberglauben. Wenn du uns unterstützt, Capella, dann sehen deine Leute ein, daß das, was wir tun, für jeden auf dieser Welt wichtig ist.«
Capella Goodventure zögerte und machte ein unschlüssiges Gesicht.
Mond drehte sich um, als plötzlich jemand die Treppe herunterkam. Zu ihrer Überraschung war es Ariele, und nicht Tammis, die ihnen nachgegangen war. Im Schlepp hatte sie drei Angehörige des Sommervolks, zwei Jungen und ein Mädchen; wie eine frische Brise fegte sie an den Erwachsenen vorbei und rannte an den Pier, wo sie Silky mit einer Reihe von Trillerlauten anlockte; gehorsam kam Silky herangeschwommen, und mit jugendlichem Überschwang zeigte Ariele den jungen Leuten den Merling.
Capella Goodventure beobachtete alles mit größter Aufmerksamkeit. Auch Mond schaute wie gebannt zu. Sie sah Ariele, die ihrer Mutter aufs Haar glich, in der, Stadt großgeworden war, und sich dennoch hier, unter den Mers, in ihrem Element fühlte. Wie resigniert schüttelte Capella den Kopf. »Na schön«, sagte sie bedächtig. »Ich hätte nie gedacht, daß ich das erleben würde, aber dennoch ist es eingetreten.« Sie schaute Mond an. »Von nun an haben wir beide ein gemeinsames Ziel, Mond Dawntreader; wir werden den Willen der Herrin erfüllen. Ich hoffe, daß es uns gelingt.«
KHAREMOUGH
Orbital Habitat # 1
W ie ist es gelaufen, Kommandant?« Vhanu stand auf, als Gundhalinu neben ihm stehenblieb, und schob den Kopfset zurück, mit dem er sich die Zeit vertrieben hatte. Die Konferenz hatte länger gedauert als geplant – wie immer –, und Vhanu war pünktlich eingetroffen – auch wie immer.
Gundhalinu schmunzelte. »Ich habe Faseran und Thajad nach dem Mund geredet, und ich glaube, alles wird so ausgehen, wie Pernatte es vorhergesagt hat.« Sie bahnten sich den Weg durch die menschlichen und elektronischen Arbeitskräfte, die emsig dabei waren, in der Halle des Hegemonischen Koordinations-Zentrums neue Zwischenwände einzuziehen. »Die Vorbereitungen für die Expedition nach Tiamat werden noch fast zwei Jahre dauern – das heißt, wenn die Schiffe planmäßig fertigwerden.« Er blickte über die Schulter, als sie genötigt waren, hintereinander zu gehen. »Aber Fase-ran hat mir heute tatsächlich versprochen, ich könnte der Oberste Richter werden.«
Verblüfft starrte Vhanu ihn an. »Vater aller meiner Ahnen! Das ist eine gute Neuigkeit! Ich hoffe, Sie berücksichtigen meine Bewerbung um eine Position in Ihrem provisorischem Stab, Kommandant. Wie Sie wissen, habe ich ...«
»Nach allem, was Sie für mich getan haben, NR«, schnitt Gundhalinu ihm das Wort ab, »können Sie von mir aus jeden beliebigen Posten in der neuen Verwaltung einnehmen.« Er lächelte. »Wenn Sie möchten, dann biete ich Ihnen die Stelle des Polizeikommandanten an.« Vhanus Gesicht strahlte auf.
»Jawohl, Sir. Vielen Dank.« Vhanu ballte die Fäuste, um nicht vor Freude laut herauszuschreien.
»Dann betrachten Sie es als ...« Gundhalinu prallte mit jemandem zusammen, der ihm plötzlich den Weg verstellte. Hände wurden hochgerissen, um ihn zu stützen; der junge Bursche, den er angerempelt hatte, starrte ihn aus grauen Augen eindringlich an, und er spürte ein vertrautes Zeichen, als ihm ein Fetzen Papier in die Hand gedrückt wurde.
Seine Finger umschlossen das Papier, und er öffnete den Mund
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