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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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übertönte die Stimme, die seinen Namen rief. Jemand drückte seinen zitternden Körper in die Kissen zurück. Als er die Augen aufschlug, starrte er verwirrt gegen die Decke seines eigenen Zimmers. Sein Blick wanderte nach unten über die himmelblau getünchte Wand und heftete sich auf das vertraute Triptychon mit der Darstellung des Meeres. Mit der Hand strich er über die schwere Steppdecke.
    Das Gesicht seiner Mutter beugte sich über ihn, und immer noch hielt sie ihn mit sanftem Druck fest. »Was ... ist passiert?« flüsterte er. »Was mache ich hier?«
    Gleich darauf spürte er, wie er wieder in die bodenlose Schwärze hinabstürzte.
    »Stop!«
sagte Mond; in ihrer Stimme lag ein Unterton, den er noch nie zuvor bei ihr gehört hatte. Augenblicklich verflüchtigte sich der Druck, der seine Gedanken erstickte. Ihm war, als lüfte sich ein Nebelschleier, der bis jetzt sein Gehirn umhüllt hatte. Sachte strich Mond ihm die Haarsträhnen aus der Stirn. »Wenn du fühlst, daß du hinabgleitest, mußt du
Stop
sagen«, murmelte sie. »Das genügt ...
Stop.
Dieses eine Wort ist dein Anker. «
    Er nickte und starrte sie verständnislos an. Plötzlich bemerkte er, daß sein Handgelenk bandagiert war, und auch seine Mutter trug eine Bandage um den Puls. Er versuchte sich zu erinnern, warum der Anblick dieser Bandage ihn mit solcher Angst erfüllte. Die Augen schließend schaute er in sich hinein, und allmählich begannen sich in seiner Phantasie Bilder zu formen.
    Der Schacht.
Zuerst glaubte er, der Schacht sei das letzte, woran er sich erinnern könne. Zusammen mit seinem Vater und Miroe Ngenet war er hinabgefahren ... in ein Kaleidoskop aus Lichtern und Dunkelheit. Das Licht war farbig gewesen, es schien alle möglichen bunten Schattierungen aufzuweisen, doch dann verschmolz es zu einem einheitlichen Grün und verströmte eine Musik, wie er sie noch nie gehört hatte, und außerhalb seiner Seele auch nie hören würde; sie erinnerte höchstens noch an die Gesänge der Mers.
    Danach erinnerte er sich an nichts mehr, er wußte nur, daß er sich mit der schaurigen Schönheit, die ihn zu sich rief, vereinigen wollte.
    Irgendwie war er dann wieder in die Halle der Winde gelangt; Hände stützten ihn, hinderten ihn daran, zum Abgrund zurückzulaufen.
    Als sein Kopf sich allmählich zu klären begann, hörte er Fragen und Schreie, vage erinnerte er sich an Jerusha PalaThions entsetztes Gesicht, und wie sie immerzu wiederholte: »Es kann nicht wahr sein! Es kann nicht wahr sein ...« Und Miroe Ngenet war nirgendwo zu sehen gewesen.
    In jedem Gesicht, das ihn umringte, hatte er geforscht; doch er sah nur einen Alptraum, eine hinabstürzende dunkle Gestalt. Es konnte doch nicht seine Schuld sein ... Die Augen seines Vaters glänzten hart wie Smaragde, sein Blick verriet Kummer, wo er Verwirrung empfand, und beantwortete seine plötzlich aufkeimende Angst mit Wut.
    »Was ist passiert?« hatte er immer wieder verzweifelt gefragt.
    Die Mienen der anderen gaben ihm keinen Trost. »Miroe ist tot«, sagte sein Vater mit tonloser Stimme. »Er ist in den Abgrund gestürzt. Wegen dir ...«
    Dann war seine Mutter, die Königin, bei ihm, legte ihm schützend die Arme um die Schultern und erwiderte: »Er kann sich nicht erinnern. Er versteht es nicht.«
    Unbeholfen, taumelnd, war er ihr die Treppe hinauf in die oberen Gemächer gefolgt. Er stolperte über seine Füße wie ein kleines Kind, das gerade laufen lernt. Seine Mutter führte ihn in ein kleines Zimmer, das er immer anheimelnd gefunden hatte, und er setzte sich auf eine Couch.
    Sie nahm neben ihm Platz und sah ihn eine geraume Zeitlang schweigend an. In ihrem Blick lagen Mitleid und Verständnis – obwohl er nicht wußte, wieso sie etwas verstehen sollte, was ihm völlig unbegreiflich vorkam. »Habe ich Onkel Miroe getötet ...?« fragte er mit zittriger Stimme. »Bin ich schuld an seinem Tod?«
    »Nein!« Mond nahm seine Hände und drückte sie. »Nein ...«, wiederholte sie leise. »Du wurdest gerufen; dort unten in der Grube; sie ist eine Initiationsstätte. Du bist dazu bestimmt, ein Sibyl zu sein, und drunten im Schacht wurdest du geweiht – wie ich einst geweiht wurde, als ich in deinem Alter war,«
    »Aber ...« Sein Blick wanderte über die Bücherregale und andere Datenspeicher; die Schränke waren vollgestopft mit Andenken, die seiner richtigen Großmutter, Arienrhod, der Schneekönigin, gehört hatten. Er betrachtete ein Ei, das aus einem Smaragd geschliffen war, und

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