Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Außenweltler; die Kapelle spielte dazu eine Musik, in der sich Strömungen der unterschiedlichsten Kulturen vermischten, wie in fast jedem Lebensbereich ihres Planeten.
Funke merkte, wie verloren Merovy dreinschaute, als Ariele und Elco Teel einfach verschwanden, ohne von ihr Notiz zu nehmen. Freundlich berührte er ihren Arm. »Ich gehe ihn suchen und schicke ihn zu dir.«
Sie nickte lächelnd.
Er ging quer durchs Zimmer zur Treppe, die nach oben führte; dabei traf er Kirard Set, der lässig am Geländer lehnte und genauso hämisch in sich hineingrinste wie sein Sohn. »Die Toilette ist gerade frei.« Er deutete auf das Bad.
»Ich suche Tammis. Ist er oben?«
Kirard Set zuckte die Achseln. »Ja.« Er rückte zur Seite, damit Funke die Treppe hinaufgehen konnte; in dem Moment, als Funke seinen Blick auffing, wußte er, daß er lieber kehrtmachen und davongehen sollte. Doch Kirard Sets spöttisches Lächeln schien ihn zu hypnotisieren.
Anstatt sich umzudrehen und wieder fortzugehen, stieg er in die zweite Etage des Stadtpalais hinauf; immer deutlicher vernahm er leises Stimmengemurmel, bis er Tammis' Stimme erkannte. Als er den oberen Treppenabsatz erreichte, sah er im schummerigen Licht zwei sich umarmende Gestalten. Bei seinem Auftauchen fuhren sie erschrocken auseinander, so daß er sie deutlich sehen konnte – Tammis, mit weit offenstehendem Hemd, und Brein, ein Winterjunge aus der Clique, mit der sein Sohn immer zusammenhing; Breins Hände streichelten Tammis' nackte Brust.
Verzweifelt und schuldbewußt starrte Tammis seinen Vater an, der ihn dabei erwischt hatte, wie er an seinem Hochzeitstag Zärtlichkeiten mit einem anderen Knaben ausgetauscht hatte. Gesenkten Blickes trat Brein von einem Fuß auf den anderen und flitzte dann die Treppe hinunter.
»Tammis«, sagte Funke, und sein Sohn zuckte zusammen, als sei er geschlagen worden. »Was war das?« Er zeigte auf die Stelle, wo soeben noch Brein gestanden hatte.
»Nichts. Er wollte nur ... ich ...« Tammis wurde rot, machte sein Hemd zu und ließ den Kopf hängen. Sein Kleeblattmedaillon verhedderte sich in den Falten des Stoffs.
»Bei der Herrin und allen Göttern!« Funke packte ihn bei den Schultern und stieß ihn gegen die Wand. »Du elender Wicht! An deinem Hochzeitstag? Wo du eine wunderschöne Frau hast, die dich liebt, und die drunten im Haus überall nach dir sucht? Warum nur ...?«
»Ich konnte nicht anders«, stammelte Tammis mit kaum hörbarer Stimme, während er linkisch versuchte, das Spitzenjabot seines Hemds zu befestigen.
»Verdammt noch mal!« Funke schlug ihm auf die Hände. »Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche.«
»Sei doch nicht so streng mit dem Jungen, Dawntreader«, sagte Kirard Set hinter ihm.
Funke drehte sich um; vor Wut und Scham wurde er rot, als Wayaways sich auf dem Treppenabsatz zu ihnen gesellte.
»Ihr Sommerleute seid in jeder Hinsicht so engstirnig; ihr benehmt euch, als gäbe es auf alle Fragen nur eine einzige richtige Antwort.« Kirard Set schüttelte den Kopf. »Das ist doch nur ein harmloser kleiner Flirt. Ein junger Mann läßt halt nichts anbrennen, weißt du.«
»Laß uns allein, Wayaways.« Funke kehrte ihm den Rücken zu, doch Kirard Set dachte nicht daran zu gehen; wie ein Voyeur sog er jedes Wort und jede Geste in sich auf. Funke umklammerte Tammis' Kinn und zwang ihn so, ihn anzuschauen; mittlerweile war es ihm egal, was Kirard Set alles aufschnappte – denn er hatte sicher schon vorher Bescheid gewußt. »Du bist ein Sommer, ein Sibyl nach dem Willen der Mutter! Nicht irgendein perverser Schwuler aus dem Winterpack, der sich in Scheiße wälzen würde, nur um wie ein Außenweltler zu riechen!«
»So wie du!« schleuderte Tammis ihm entgegen; seine dunklen Augen blitzten. »Was hast du denn an
Arienrhods Hof getrieben, während du angeblich meiner Mutter versprochen warst?«
Funke erstarrte; es verschlug ihm die Sprache, als die mit eisigen Krallen bewehrte Hand aus der Vergangenheit zuschlug und sein Herz zum Stillstand brachte. »Wer ...«, stammelte er nach einer Weile, »... wer hat dir das erzählt?«
Tammis' flackernder Blick heftete sich auf Kirard Set, der immer noch hinter ihnen stand und lauschte.
»Er
erzählte mir, du seist kein Kostverächter gewesen; du hättest die Sommerleute für einfältig und spießig gehalten, und in Arienrhods Auftrag Dinge getan, die ...«
Funke schlug ihm ins Gesicht und stoppte den Redeschwall. »Glaub, was du willst«, zischte er, während er im
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