Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Grübeleien. Er versuchte, die Vergangenheit abzuschütteln, doch an die Gegenwart mochte er noch nicht so recht glauben.
»Ich bin froh, daß er nicht getötet werden muß. Der Bruderschaft war er auch von großem Nutzen.«
Reede schnaubte durch die Nase. »Einen Moment lang glaubte ich, für uns wäre alles aus. Götter ... Ich dachte wirklich, er würde ernst machen. Stell dir vor, er hätte ...«
»Ich hätte ihm gesagt, ich sei von dir schwanger.« Hastig richtete er sich auf und starrte sie verdutzt an. »Stimmt das? Bist du wirklich …?«
»Nein, natürlich nicht.« Ein wenig traurig lächelte sie ihn an. »Das kommt für uns nicht in Frage, das weißt du doch, Liebster. Wir haben andere Aufgaben zu erfüllen.«
Er wandte den Blick von ihr ab und schwieg eine Weile, ehe er fragte: »Sagtest du nicht, du würdest Humbaba nie belügen?«
»Es wäre tatsächlich das erste Mal gewesen ... und das letzte. Obwohl ich ihm nicht immer die volle Wahrheit gesagt habe.«
»Verschweigen kann auch Lügen bedeuten.«
Sie lächelte. »Man muß es verstehen, die richtigen Fragen zu stellen, und man muß die richtigen Antworten geben können.«
»Hast du mich jemals belogen?
Sie blickte ihm fest in die Augen. »Nein, nie!«
»Aber du hast mir nicht immer die volle Wahrheit gesagt.«
Sie legte einen Finger an seine Lippen. »Quäl dich nicht mit Fragen,
Tisshah'el.
Du brauchst nicht mißtrauisch zu sein, du bist mein Liebster.«
Er gab nach und küßte sie. »Heute nacht kannst du zu mir ziehen. Laß deine Sachen hierherbringen ...« – er lächelte – »meine Gemahlin.«
Sie bewegte sich rastlos, als hätte sie ihn nicht gehört.
Oder als wollte sie ihn nicht hören.
Doch er schob diesen Verdacht beiseite. »Die Bruderschaft wird nicht erfreut sein, wenn man erfährt, daß er mich verstoßen hat. Das macht es schwieriger, ihn zu kontrollieren.«
»Wen? Humbaba?«
Sie nickte. »Vielleicht beschließen sie doch noch, ihn aus dem Weg zu räumen ... und das schwächt unsere Position.«
Reede legte den Arm um ihre Schultern und drehte sie zu sich herum. »Sei unbesorgt. Humbaba ist nicht klug, aber doch so gewitzt, um zu wissen, daß er kein großer Denker ist. Jahrelang hat er auf deinen Rat gehört, und daran wird sich bestimmt nichts ändern. Nur zu seinen Schlafgemächern wirst du keinen Zutritt mehr haben ...« Er legte sich über sie, und als seine Brust ihren Körper berührte, spürte er wieder das vertraute, warme Pochen in seinen Lenden.
»Du hast recht ...«, hauchte sie zwischen seinen Küssen. »Du bist sehr weise, mein Liebster. Aber vielleicht sollte ich meine Sachen erst zu dir bringen, wenn es sich herausstellt, was Humbaba wirklich im Schilde führt. Hier gibt es überall Spitzel.«
»Sie mögen sich zur Hölle scheren«, sagte er mit rauher Stimme, während seine Erregung wuchs. »Tu es einfach, für mich.« Er nahm sie fester in die Arme, und er fühlte, wie sie seinen Rücken, seinen ganzen Körper liebkoste. Ihre Fingernägel gruben sich in sein Fleisch, als auch ihr Verlangen geweckt wurde, und sie spreizte die Schenkel, damit er in sie eindringen konnte. Ihm schwindelte, als sie sein Glied streichelte und es dann einführte. »O Götter«, flüsterte er. »Ich liebe dich ...«
Allein wanderte Reede durch den stillen, leeren Laborkomplex, er trug nur eine Robe, die er locker um sich geschlungen hatte. Armaturen, die neben den Türen und an jeder Kreuzung von Korridoren in die Wände eingelassen waren, verrieten ihm, daß es lange vor Sonnenaufgang war. Der Himmel draußen vor den Fensterschlitzen war schwarz wie der Tod. Als er wach wurde, hatte Mundilfoere neben ihm geschlummert wie ein Kind – und dann war ihm eingefallen, was ihn so unruhig machte: er hatte etwas vergessen.
Er fühlte sich immer, als stünde sein Körper unter Strom: kraftvoll, sprühend vor Leben, beschwingt. Doch während er schlief, hatte die Droge die Spannung in ihm erhöht. Er hätte wissen müssen, daß die Ekstase, die er während seiner Hochzeit mit Mundilfoere durchlebt hatte, nicht nur auf ihre Liebeskünste und auf seine Leidenschaft zurückzuführen waren. Die Warnsignale waren eindeutig gewesen. Aber er hatte sich zu sehr ablenken lassen, um sie zu beachten.
Als sein Körper ihn aus dem trunkenen Schlaf aufweckte, vibrierte jedes Nervenende; er konnte nicht mehr einschlafen, weil er das Gefühl hatte, er läge auf einem Nagelbett, und weil er wußte, daß er sich in wenigen Stunden fühlen
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