Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
würde, als läge er auf glühenden Kohlen.
Jeder Schritt, den er nun tat, schmerzte; das Licht brannte in seinen Augen, und bei jedem Atemzug tat seine Brust weh, weil sich Flüssigkeit in der Lunge sammelte. Aber er verdiente es, für seine Dummheit bestraft zu werden. Die Liebe hatte ihn so berauscht, daß er vergessen hatte, ins Labor zu gehen.
Er erreichte die richtige Tür und berührte mit der Fingerkuppe den Identitäts-Sensor so flüchtig, als sei er glühendheiß. Er fluchte, als der Sensor darauf nicht reagierte, und er den Vorgang wiederholen mußte. Der Klang der eigenen Stimme tat in seinen Ohren weh, und er biß auf die Zähne. Dann ging die Tür auf, und er konnte eintreten.
Drinnen schlugen ihm schrille Schmerzensschreie entgegen. Verdutzt blieb er stehen, doch dann durchquerte er raschen Schrittes das Labor, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
In einem kleinen, durchsichtigen Behälter befand sich ein Quoll, außer ihm selbst das einzige Lebewesen im Labor. Er hatte ihn in Razuma aufgelesen, eines der zahlreichen ausgesetzten Tiere, die in den Straßen verhungerten. Sonst benutzte er nie Versuchstiere; die Resultate, die er aus dem Computer bekam, waren viel präziser. Doch in diesem Fall hatte er eine Ausnahme gemacht. Sein perverser Wunsch, Gewißheit zu haben, veranlaßte ihn, das arme Tier ins Labor mitzunehmen. Er hatte es gefüttert, gepflegt, und ihm die Droge gegeben.
Das Tier wuchs und gedieh prächtig, während das Technovirus sich in sämtliche Zellen des Körpers einnistete, wie es bei ihm selbst bereits geschehen war. Der Quoll entwickelte sich zu einem Prachtexemplar. Die Droge, die er selbst entwickelt hatte, sollte dieselbe Auswirkung haben wie das Wasser des Lebens; sie sollte dafür sorgen, daß die Körperfunktionen perfekt gesteuert wurden – um den Menschen unsterblich zu machen. Fast hätte es geklappt …
Der Quoll war zahm geworden und begrüßte ihn jedesmal, wenn er ins Labor kam, mit freudigen Pfiffen, dann sah er ihm bei der Arbeit zu. Manchmal steckte Reede sogar die Hand in den durchsichtigen Käfig und streichelte das weiche, büschelige Fell.
Später setzte er bei dem Tier die Droge ab und studierte die Auswirkungen. Der Quoll verfiel rasch, und auf schreckliche Weise. Die Droge war für den menschlichen Körper entwickelt worden, doch aufgrund ihrer unkomplizierten Struktur, die, wie er zu spät erkannte, zu simpel war, wirkte sie bei einem Tier ähnlich – bis hin zum Tod.
Er wollte das Sterben mitansehen, dieses Mal genügte ihm kein Computermodell; denn er hatte ein ganz persönliches Interesse daran, die widerwärtigen Symptome zu studieren.
Er hatte versucht, das Wasser des Lebens synthetisch herzustellen, und dabei versagt. Absichtlich hatte er sich mit dem Stoff infiziert, obwohl Tests ihm gezeigt hatten, was mit ihm passieren konnte – und dann war der schlimmste Fall tatsächlich eingetreten. Sein Körper war abhängig von der Droge, um überhaupt noch normal funktionieren zu können. Dabei ging der Prozeß des Alterns weiter – auch in diesem Punkt war die Droge ein Fehlschlag – doch ironischerweise ließen seine Kräfte nicht nach.
Aber wie beim echten Wasser des Lebens, so braucht auch bei dieser Droge der Körper ständigen Nachschub. Nur, daß ein Mensch vom echten Wasser des Lebens nicht abhängig wurde. Ohne einen gewissen Pegel seiner selbstentwickelten Droge würde buchstäblich jede Zelle in seinem Körper absterben, entarten oder wild zu wuchern anfangen; Millionen winzigster Maschinen, die außer Kontrolle gerieten.
Er stand vor dem durchsichtigen Behälter und betrachtete den Quoll, der sich in Todeskrämpfen wand; er zwang sich dazu, in diesen Spiegel zu blicken. Der pelzige Körper zuckte, blutiger Schaum stand vor dem Maul, das Fell war beschmutzt, und die Augen waren so weit nach hinten verdreht, daß man nur noch das Weiße sah ... Er wollte zusehen, er wollte wissen, was ihm bevorstand –
Dann schau auch hin, du verdammter Feigling! Das hast du dir selbst zuzuschreiben, keiner hat dich gezwungen, die Droge zu nehmen .. .
Das qualvolle Geschrei ging weiter, bis er glaubte, sein Kopf würde platzen. Mit zitternden Händen faßte er in den Käfig und hob den Quoll heraus. Einen Augenblick lang hielt er ihn in den Armen, obwohl das Tier ihn in seiner Raserei biß. Dann brach er ihm mit einer raschen Bewegung das Genick.
Den Kadaver warf er in den Verbrennungsofen und sah zu, wie der kleine Körper sich im Nu auflöste,
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