Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Lächeln, ehe sie sich an Borah Clearwater wandte. Auf die Reling gestützt sah sie ihn ruhig und selbstbewußt an. »Du glaubst also, ich hätte mich deinetwegen in diese Arbeit gestürzt, Borah Clearwater? So wie du anzunehmen scheinst, ich hätte das Wegerecht nur gewährt, um dich zu ärgern?«
Clearwater schnaubte durch die Nase, antwortete jedoch nicht sofort. »Wer kennt schon deine Gründe?« höhnte er dann. »Verflucht will ich sein, aber alles, was du machst, ergibt doch keinen Sinn!«
»Was glaubst du, wer du bist?« mischte sich Gran plötzlich ein. »Wie kannst du es wagen, hierherzukommen und in diesem Ton mit der Herrin zu sprechen?«
Er starrte Gran an, die aufstand und das Netz, das sie geflickt hatte, zur Seite legte. »Und du hast kein Recht, so mit mir zu sprechen«, donnerte er.
Danaquil Lu verdrehte die Augen. »Onkel ...«, murmelte er und legte beschwichtigend eine Hand auf seine Schulter.
»Sie ist meine Enkeltochter«, entgegnete Gran ergrimmt. »Ich habe ihr vorgeschlagen, für eine Weile hierherzukommen und sich unter ihr eigenes Volk zu mischen. Wenigstens besitzt sie den Anstand, die älteren Leute zu respektieren. Wenn du ihr keinen Respekt zollst, dann bist du nicht besser als einer vom Wintervolk.«
Wütend funkelte er sie an. »Zufällig bin ich ein Winter. Und wenn sie sich wie eine Sommerkönigin benehmen und sich nicht ständig in alles einmischen würde, könnte ich sie sogar respektieren.«
»Ein Winter!« Gran musterte ihn verächtlich von Kopf bis Fuß.
»Nicht alle von uns sind parfümierte Stutzer!« schnauzte er.
Mond staunte über ihre Großmutter, die so vehement für sie Partei ergriff. Sie war zutiefst gerührt. Danaquil Lu, der neben Jerusha stand, blickte besorgt drein. »Was dieses Wegerecht über dein Land angeht, Borah Clearwater«, begann Mond von neuem, »so verstehe ich nicht, wo dein Problem liegt. Deine Fischereirechte und deine Landwirtschaft werden dadurch nicht im geringsten beeinträchtigt. Für deine Einwilligung, diesen schmalen Streifen Land zur Verfügung zu stellen, wirst du gut entlohnt. Geht es dir nur ums Prinzip? Oder haßt du jede Veränderung, weil du mich und meine neuen Ideen haßt?«
Wieder schnaubte er durch die Nase, daß seine Barthaare sich sträubten. »Ich mag dich nicht, Mond Dawntreader. Daraus mache ich keinen Hehl, und ich sage es dir ins Gesicht. Aber es ist mein Verwandter Kirard Set, den ich hasse. Er kauft sämtlichen Grundbesitz um meine Ländereien auf, weil er sich die Mineralvorkommen sichern will. Er möchte dort Fabriken und Siedlungen bauen. Auch auf meiner Plantage gibt es Bodenschätze. Kirard Set will, daß ich an ihn verkaufe, und weil ich mich bis jetzt geweigert habe, möchte er sich durch dich Zutritt zu meinem Grund und Boden verschaffen. Jetzt, wo er einen Fuß in der Tür hat, wird er nicht eher Ruhe geben, bis er alles bekommt. Verflucht, du hast ihm gezeigt, daß es möglich ist, und er triumphiert. Der ganze Wayaways-Clan ist ein Haufen von Betrügern – mit Ausnahme des jungen Dana hier, der vermutlich verrückt ist, aber wenigstens kein Verbrecher. Man sollte diesen Typen die Flügel stutzen, verdammt noch mal, anstatt sie zu ermutigen.«
»Ich habe gehört, was du gesagt hast, Borah Clearwater«, erwiderte Mond freundlich. »Kirard Set Wayaways ist einer der tüchtigsten und aktivsten Männer, die mir dabei helfen, Tiamat den Fortschritt zu bringen. Trotzdem habe ich nicht die Absicht, ihm zu Lasten anderer Vorteile zu verschaffen. Du hast dich bei mir beschwert, und ich werde es nicht vergessen.«
»Du wirst es vergessen, sobald die Vorräte an Mineralien knapp werden«, behauptete Borah Clearwater erbittert. »Und ich weigere mich, ihn meine Felder verwüsten zu lassen.«
Mond runzelte die Stirn. »Ich möchte Tiamat bewohnbarer machen; und nicht zerstören. Keiner wird dich von deinem recht mäßigen Grundbesitz vertreiben, darauf gebe ich dir mein Wort. Du mußt mir vertrauen.« Sie wandte sich von der Reling ab und überhörte sein weiteres Lamentieren. Sie achtete nicht einmal mehr auf ihre Großmutter, die Borah Clearwater mit scharfer Stimme zurechtwies, weil er es wagte, das Versprechen einer Sibylle, ihrer Enkeltochter, anzuzweifeln. Mond begegnete den neugierigen Blicken der anderen Seeleute, die sich um sie scharten und begannen, ihr Fragen zu stellen.
Sie beantwortete ungefähr ein halbes Dutzend Fragen, ehe sie aufblickte und merkte, daß niemand mehr wartete. Erschöpft, aber
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