Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
beenden ... Auf der Suche nach der Wahrheit hatte er sich an den heiligen Ort begeben, an dem die Sibyllen auserwählt wurden; er hatte die Sphärenmusik gehört, und er hatte in das unerträglich helle Licht geschaut. Während das Blut floß, spürte er, wie ihn das Mysterium des göttlichen Virus durchdrang, und er erschauerte vor Angst und Ehrfurcht, als sich die nächtliche Finsternis über die Sonne legte ...
Ein Schicksal nach dem anderen durcheilte er, eine Vision folgte der nächsten, bis er jedes Gefühl für seine Identität verlor, und es keinen Beweis mehr gab, ob er tatsächlich einmal ein Individuum gewesen war, das in einer von Raum und Zeit bestimmten Realität existierte. Er wanderte durch Jahrhunderte vergessener Historie und gelangte in die Zukunft. Man fürchtete ihn und man betete ihn an, er wurde verfolgt und verehrt; er war ein Sibyl, der jedem offen den Schlüssel zur Weisheit anbot, doch als Mitglied einer ehemals stolzen Loge mußte er sich verbergen, weil er deren Geheimnisse kannte.
Er hütete seine Gabe, um sie der Menschheit zu erhalten, und derweil schmiedete er an einem stillen Netz, bestehend aus Seinesgleichen, eine geheime Ordnung, die dem scheinbaren Chaos zugrundelag.
Dann war er BZ Gundhalinu, dritter Sohn eines harten, gestrengen Mannes aus der Klasse der Technokraten. BZ Gundhalinu wurde Survey-Mitglied und Polizeiinspektor ... Er beging Verrat und machte einen Selbstmordversuch. Um das Leben seiner Brüder zu retten und die Ehre der Familie wiederherzustellen, um entweder vor sich selbst zu bestehen oder den Tod zu finden, zog er in eine Wildnis namens World's End. Dort fand er den Feuersee, und als Gefangener einer verzerrten Realität hatte er jede Bestätigung für seine eigene Existenz verloren. Er wurde der Geliebte einer Frau, die verrückt war; das Sibyllenvirus hatte sie in den Wahnsinn getrieben.
In der Hitze der Lust hatte er sich angesteckt. So war auch er ein Sibyl geworden, ihn hingegen hatte das Virus genesen lassen. Endlich entdeckte er die verborgene Ordnung im Herzen des Chaos, das man Feuersee nannte. Er hatte seine Brüder zurückgebracht, und das Geheimnis des Feuersees an die Hegemonie weitergegeben. Die machte einen Helden aus ihm und überhäufte ihn mit Ehre und Respekt. Dann hatte man ihn verschleppt, ihn seiner Freiheit beraubt, und ihm die Wahrheit inmitten der Wahrheit gezeigt ...
»... wie wenn er in den Transfer gegangen wäre, bei allen Göttern.« Jemand schüttelte ihn unsanft; die Worte drangen wie Schwerter aus gebündeltem Licht durch die Dunkelheit.
»Was? Wie? Das ist noch nie passiert.« Jemand schob sein Augenlid hoch und ließ Licht in die Pupille fallen; dann ließ er das Lid wieder los.
»... hat noch keine Kontrolle, er ist erst seit wenigen Wochen ein Sibyl. Hat auch nie ein richtiges Training gehabt.« Die Stimmen hallten wie Echos aus Licht durch das Spektrum und trieben ihm die Tränen in die Augen. So weit entfernt klangen sie, als seien sie für ihn unerreichbar.
»Kein richtiges Training? Ein Wunder, daß es bei ihm überhaupt funktioniert.«
»Er ist ein Kharemoughi.«
Schnaubendes Gelächter. »Er hat auch einen mißglückten Selbstmordversuch hinter sich. Nach euren Standards wäre er besser gestorben, bis er dann im Feuersee das Stardrive-Plasma entdeckte. Aber deshalb ist er nicht hier, und wahrscheinlich ist das auch nicht der Grund, warum man ihn zu einem Helden der Hegemonie machte.« Die Worte klangen nun deutlicher und glitten aus dem Lichtspektrum in den Tonbereich hinein. Er konnte sie besser verstehen und mit seinem Bewußtsein wahrnehmen.
»Behalte deine abfälligen Bemerkungen für dich!« »Schweig! Vergiß nicht, wo wir hier sind, bei den Göttern, und was wir zu tun haben. Wir haben nicht die ganze Nacht lang Zeit. Wie holen wir ihn aus dem Transfer?«
»Das können wir gar nicht. Sowie er im Netz ist, ist er für uns unerreichbar.«
»Beim Aurant! So was darfst du nicht laut aussprechen!«
»Es muß einen Weg geben, zu ihm durchzudringen. Benutz den Lichtstift. Wenn du ihn wirklich verbrennst, und sein Leben in Gefahr ist, gibt das Netz ihn vielleicht frei.«
»Das ist nicht ...« – Gundhalinu tat einen zittrigen Atemzug und preßte die Worte heraus – »... notwendig.« Er zwang sich, die Augen zu öffnen, und wurde von der Helligkeit geblendet. Fluchend kniff er die Augen wieder zu und wandte sein Gesicht von der Lichtquelle ab.
Jemand schob einen Arm unter seine Schultern und richtete
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