Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
sich der Survey zur Aufgabe gemacht, der Menschheit zu helfen, geistige und körperliche Freiheit zu schaffen. So war es, und so wird es immer sein. Wir dienen dem Wohle der Menschheit ... aber möglichst unauffällig.«
Gundhalinu schob die Hände in die weiten Ärmel seines Gewands und rieb sich die Arme. »Aber wenn ich mich gegen euch stelle, würdet ihr mich ohne zu zögern töten?«
Sein Gesprächspartner gab ein glucksendes Lachen von sich; der verzerrte Ton klang wie das Gurgeln von Wasser, das einen Abfluß hinunterläuft. »Ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird, Kommandant Gundhalinu.«
Das Licht, das auf ihn herniederprallte, ging aus. Schlagartig herrschte völlige Dunkelheit, durchbrochen von glühenden Löchern; die seinen Blick anzogen. Schwarze Pforten öffneten sich, den Weg freigebend zu zahllosen anderen Orten – oder Alpträumen; Myriaden von Lichtern blitzten, wie Sterne an fremden Himmeln. Regungslos saß er da, wie hypnotisiert, schaute durch Ilmarinens Augen auf uralte Sternenfelder, beobachtete die gespenstische Höllenglut des Feuersees ...
Ein Licht nach dem anderen erlosch, bis er von absoluter Finsternis eingehüllt war.
Jählings wurde es wieder hell, doch dieses Mal war der gesamte Raum erleuchtet, und er konnte sehen, wo er gefangengehalten wurde. Das fensterlose Zimmer hatte kahle, weiße Wände, und die Truhen, die darin standen, konnten alles mögliche – oder nichts – enthalten. Nur noch drei Männer befanden sich bei ihm, vorher hatte er ungefähr ein Dutzend Gestalten gezählt. Er fragte sich, wohin die anderen so schnell verschwunden waren.
Erschrocken stellte er fest, daß er alle drei Männer, die bei ihm geblieben waren, kannte. Zwei von ihnen waren Kharemoughis – Estvarit, der Oberste Richter der Hegemonie, und Savanne, der Chefinspektor der Hegemonischen Polizei auf Nummer Vier; der dritte war Yungero, der Generalgouverneur des Planeten. Früher, vor seiner Reise . an den Feuersee, wäre er geschwind wie der Blitz vom Tisch gesprungen und hätte zackig salutiert. Nun jedoch blieb er einfach sitzen.
Während er die Männer ansah, rief er sich all das ins Gedächtnis zurück, was er in den vergangenen Monaten erfahren und erduldet hatte. Er war nicht mehr der Mann, der er vorher gewesen war. Er sagte sich, daß er jetzt der Polizeikommandant sei, und obwohl er zur Zeit kein Kommando führte, war er zweien seiner Befrager im Rang überlegen. Indem er den Männern der Reihe nach zunickte, behandelte er sie wie seinesgleichen. »Meine Herren«, sagte er, »es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.« Seine Stimme klang ruhig, und seine Mundwinkel zogen sich in einem ironischen Lächeln nach oben. »Besonders, da wir alle Fremde sind, fern von unseren Heimatwelten.«
»Das Universum ist unser aller Heimat.« Der Oberste Richter, der Mann, der einen höheren Rang bekleidete als er, antwortete ihm mit dieser rituellen Formel. Das Lächeln, das er dabei zeigte, wirkte echt.
»Mit Fremden geht ihr aber ziemlich grob um«, sagte Gundhalinu und merkte, wie Savanne wegblickte. Er rutschte vom Tisch herunter und spürte dabei, wie ihm jeder Muskel weh tat. Vor Erschöpfung und Erleichterung hatte er weiche Knie, und diskret versuchte er, sich an der kalten Metallkante des Tisches abzustützen.
»Es tut mir leid, Kommandant«, sagte Estvarit. »Aber das ist die übliche Vorgehensweise. Neulingen müssen wir möglichst eindrucksvoll klarmachen, wie ernst es uns ist, und was diese Aufnahme in unseren Kreis für ihr weiteres Leben bedeutet. Ein gewisses Maß an Angst ist da sehr dienlich.« Der Oberste Richter war ein großgewachsener, hagerer Mann mit graumeliertem Kraushaar. Seine gedehnte, beinahe schleppende Sprechweise trug dazu bei, anderen Leuten die Befangenheit zu nehmen.
Gundhalinu lächelte wehmütig. »Als ich noch ein Junge war, erzählte mir meine Amme eine Geschichte. Eines Tages, damals war sie selbst noch ein Kind, landete auf einem Fenstersims ihres Elternhauses eine geflügelte Click-Eidechse. In ihrem Volk bedeutete das Glück und Segen für die gesamte Familie. Als sie das Tier ihrem Vater zeigte, verabreichte der ihr eine Tracht Prügel. Später erklärte er ihr, ein wichtiges Ereignis müsse immer von Schmerzen begleitet sein, damit es um so besser im Gedächtnis haften bliebe. Zu mir sagte sie jedoch, sie sei sich nicht sicher, ob sie sich wegen der Schläge an die Eidechse erinnerte, oder wegen der Eidechse an die Schläge.«
Der
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