Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Hand hinab, die auf seinem Arm ruhte; beinahe konvulsivisch umschloß er sie mit der seinen.
»Reede.« Gundhalinu stand auf und kam zu ihnen; er bewegte sich zögernd, wie wenn er Schmerzen hätte. »Ich weiß, daß die Quelle Sie mit irgend etwas erpreßt; Jaakola hat etwas gegen Sie in der Hand. Wenn Sie sich von ihm befreien wollen, können wir Ihnen dabei helfen. Jede Fessel läßt sich sprengen, sagen Sie uns nur, was Sie brauchen, um loszukommen.«
Reede schüttelte die Hand der Königin ab. Als er tief Luft holte, spürte er, wie die Skelettfinger der Wahrheit seine Kehle zupreßten. »Sie können mir nicht helfen, Gundhalinu.« Er schüttelte den Kopf. »Keiner kann das.«
»Dann erzählen Sie mir wenigstens, in welchem Dilemma Sie stecken.« Gundhalinu hielt ihm beide Hände hin. »Sie kennen mich«, sagte er und blickte Reede durchdringend an. »Sie wissen, daß Sie mir Ihr Leben anvertrauen können. Und ich brauche Ihre Mithilfe.«
Reede wandte sich ab. »Es geht nicht. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Aber dazu sind Sie da! Es ist der einzige Grund für Ihre Existenz!«
Reede drehte sich wieder zu ihm um; ihm wurde schwindelig. Sein ganzes Leben schien in ein rotierendes Chaos zu verfallen. »Ich werd's mir überlegen ... ich muß nachdenken. Und jetzt ist es für mich höchste Zeit, daß ich gehe.« Unsicher ging er zur Tür; als er sie erreichte, blickte er kurz über die Schulter. »Fragen Sie Ihren Gemahl nach den Mers, Herrin«, sagte er mürrisch. »Er weiß ein paar Dinge, die er selbst
Ihnen
verschweigt ...« Als er dann endgültig ging, versuchten sie nicht, ihn zurückzuhalten.
Mond stand neben BZ und fühlte, wie er den Arm um sie legte; beide sahen zu, wie der großgewachsene, schlanke Reede Kullervo taumelnd das Zimmer verließ.
»Bei den Göttern«, murmelte BZ, als die Tür ins Schloß fiel. »Hoffentlich haben wir nichts verkehrt gemacht.«
»Warum hast du ihn nicht festgehalten?« fragte sie.
Mit bekümmerter Miene sah er sie an. »Ich kann ihn nicht zwingen, Mond. Im Augenblick ist er soweit, daß er kurz vor einem Zusammenbruch steht; und wenn er durchdreht, verlieren wir Vanamoinen für immer.« Er schüttelte den Kopf. »Das dürfen wir nicht riskieren. Wir müssen einfach darauf vertrauen, daß er aus freien Stücken zurückkommt.«
»Er ist noch ein Junge, BZ«, sagte sie leise; In Reedes Augen hatte sie einen Ausdruck wahrgenommen, in dem sich Angst und tiefste Verzweiflung miteinander mischten. »Er fürchtet sich schrecklich.« Sie legte die Arme um BZ und hielt sich an ihm fest.
»Dazu hat er auch allen Grund.« BZ seufzte, streichelte ihr Haar und gab ihr einen Kuß. »Mögen die Götter ihm beistehen ... Komm, laß uns wieder zu Bett gehen.«
Sie nickte und folgte ihm die Treppe hinauf. »Womit hat die Quelle ihn in der Gewalt? Ob es Drogen sind?«
BZ sah sie überrascht an. »Wahrscheinlich. Wie kommst du darauf?«
»Ich erinnere mich noch gut an die Quelle.« Hand in Hand betraten sie das Schlafzimmer. »Als der Winter zu Ende ging, bezahlte Arienrhod Jaakola mit dem Wasser des Lebens, damit er ihr Virenkulturen beschaffte.«
Er erinnerte sich an die Geschichte und zog eine Grimasse. »Darin ist er gut. Aber ich habe keine Ahnung, womit er Reede an sich bindet. Etwas Gewöhnliches wird es nicht sein, denn sonst könnte Reede es sich auch anderswo beschaffen.« Er zog seinen Morgenmantel aus, öffnete seine Hose und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante, um sie von den Beinen zu streifen.
Mond ließ sich das ausgeborgte Gewand von den Schultern gleiten, und der importierte Stoff liebkoste ihre Haut wie streichelnde Hände. Sie legte sich in Gundhalinus Bett und rutschte unter die Zudecke; es war ein Gefühl, wie wenn sie ins Meer hinabtauchte, in eine vertraute und tröstliche Umgebung. Gundhalinu streckte sich neben ihr aus, und einen Augenblick lang vergaß sie, wie müde sie war. Sie sah, wie die Spuren von Schmerz und Erschöpfung aus seinem Gesicht verschwanden, als er ihre Wange streichelte und die Bandage an ihrem Arm berührte. Sie lächelte flüchtig.
»BZ«, sagte sie, »von wem sprachst du, als du zu Reede sagtest: ›Wir haben Sie an die Bruderschaft verloren‹, und ›Wir sind schon eine sehr lange Zeit hinter Ihnen her‹? In diesem Stil hast du dich einige Male ausgedrückt, aber mit ›wir‹ meintest du nicht uns beide.«
Er blickte weg, wie wenn er innerlich mit sich kämpfte. Nach einer Weile sah er sie wieder an und legte sachte die
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