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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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gegen ihre Schulter. Sie umklammerte ihn, und er spürte, wie ihre Tränen seinen Uniformrock näßten. »Ich hätte ihn aufhalten müssen. Ich hatte ihn doch schon in meiner Gewalt!«
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Deine auch nicht.« Er hob den Kopf und zwang sie, ihn anzusehen. »Es ist noch nicht vorbei«, sagte er und bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Wir dürfen uns dadurch nicht lähmen lassen, jede Minute ist kostbar.«
    Sie nickte, wischte ihr Gesicht an seinem Ärmel ab und tat einen tiefen, zittrigen Atemzug. »Ich weiß«, murmelte sie. Sie befreite sich aus seiner Umarmung und straffte die Schultern. Dann zog sie noch etwas aus der Schublade und legte es auf den Tisch; der Einband war vor Alter und Abnutzung so ramponiert, daß BZ den Titel nicht mehr entziffern konnte.
    Überrascht nahm er es in die Hand, wie immer unfähig, seine Neugier zu zügeln. In seiner Jugend hatte er Bücher geliebt, er war fasziniert von dieser primitiven, aber zuverlässigen Methode, Informationen zu speichern, von ihrer Eigenschaft, sämtliche technologischen Barrieren zu überwinden, von ihrer praktischen Handhabung und ihrem Geruch. Er hatte zahllose Romane des Alten Imperiums geschmökert, jedes Wort verschlungen – er war begeistert, daß seine Phantasie sich die vergangene Zeit selbst ausmalen durfte, anstatt mit vorfabrizierten Realitäten zwangsgefüttert zu werden.
    Doch dann war er nach Tiamat gekommen, in das alte, geheimnisvolle Karbunkel, und er hatte versucht, seine Vorstellungen zu realisieren; danach hatte er lange Zeit die Lust zum Lesen verloren. Später hatte er keine Zeit mehr gehabt, ein Buch in die Hand zu nehmen. –Er schlug es auf und betrachtete das Titelblatt. Es war auf Tiamatanisch geschrieben, in dem universellen phonetischen Alphabet: das Buch handelte von einer Fugentheorie. Vorsichtig blätterte er die Seiten mit den weichen Rändern um und entdeckte Randnotizen in einer fremden, strengen Handschrift. Nebeneinander standen mathematische Formeln und musikalische Symbole, mit Pfeilen, Fragezeichen und hingekritzelten Abkürzungen, aus denen er nicht klug wurde. Doch während er das Buch so in den Händen hielt, spürte er eine Resonanz in den tiefen Schichten seines Gehirns, wo der reine Verstand mit der reinen Inspiration zusammenprallte. Er klappte das Buch wieder zu und sah Mond an. »Darf ich das mitnehmen?«
    »Glaubst du, du kannst etwas damit anfangen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es lohnt sich, wenn ich mich näher damit beschäftige.« Er stierte auf das kalte Auge des Bildschirms. »Kennst du die Codes, mit denen Funke den Zugang zu seinen persönlichen Aufzeichnungen sperrte?«
    »Ich wußte nicht einmal, daß er irgendwelche Informationen geheimhalten wollte ...« Sie brach ab. »Ich weiß offenbar überhaupt sehr wenig über meine Familie.« Zerstreut rieb sie sich die Augen. »Funke entfremdete sich von uns allen, nicht nur von mir, als er erfuhr ... Für ihn war es ein schwerer Schock, mit einem Schlag verlor er alles, was ihm lieb und teuer war ... Und ich glaube,
sie
hat er mehr geliebt als jeden anderen Menschen.«
Ariele.
»Aber auf einmal wollte er nicht mal mehr mit ihr sprechen.« Sie schüttelte den Kopf. »Und jetzt ist er aufgebrochen, um sie zurückzuholen ...«
    BZ schwieg und senkte den Blick. Sachte legte er eine Hand auf ihre Schulter; sie drückte ihr Gesicht dagegen und schloß die Augen.
    Jemand betrat das Zimmer und blieb überrascht stehen. BZ und Mond blickten hoch und sahen Tammis, der in der Tür stand und sie anstarrte. Hastig und verlegen zog BZ die Hand zurück; er rührte Mond nicht an, als er aufstand.
    Vor ihnen blieb Tammis stehen. »Man sagte mir, daß ich euch hier finden würde. Ich habe Neuigkeiten.« Mond erschrak, doch dann erhellte sich Tammis' finstere Miene, und er lächelte. Der Stolz und die Freude, di ihn offenkundig bewegten, wirkten ansteckend. »Merovy und ich bekommen ein Baby.«
    BZ gab einen Ausruf der Verwunderung vor sich, während Monds Gesicht völlig ausdruckslos wurde.
    Unsicher schaute Tammis seine Mutter an, ehe er sich BZ zuwandte. »Wir sind wieder zusammen«, erklärt er. »Wir haben uns ausgesprochen. Das habe ich nur Ihnen zu verdanken.« Er brach ab, Gundhalinu weder mit ›Vater‹ noch mit ›Richter‹ anredend. Dann streckte er ihm die Hand entgegen.
    »Ich gratuliere.« BZ schüttelte seine Hand; am liebsten hätte er Tammis umarmt, aber er brachte es nicht über sich. Plötzlich fühlte er

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