Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Dann seufzte sie und schloß die Augen. »Es heißt ... es heißt, die Meeresmutter liebt Kinder über alles ...« Ihre Stimme erstarb. »Herrin, hilf ihnen allen: meinen Kindern und den Deinen.« Sie öffnete die Augen, doch ihr Blick war ohne Hoffnung. »Wofür hat Tammis dir eigentlich gedankt?«
BZ zuckte die Achseln: »Dafür, daß ich mich als Außenstehender einmal eingemischt habe«, antwortete er mit abgewandtem Blick. Er legte den Arm um ihre Schultern und lächelte auf sie herunter. »Für einen Großvater bin ich zu jung«, meinte er.
Wehmütig erwiderte sie sein Lächeln. »Nicht auf dieser Welt«, hielt sie ihm entgegen. »Du bist auf Tiamat, vergiß das nicht.« Sie blickte wieder zu Boden. »Bleib heute nacht bei mir, BZ.« Sie drückte ihr Gesicht an seine Brust.
Er nickte, obwohl er wußte, daß es ein Fehler war; doch genausowenig wie sie konnte er die kommende Nacht allein mit seiner Hoffnung und seinen Ängsten verbringen.
Durch die kalten, aufwendig geschmückten Hallen führte sie ihn in ihr Schlafzimmer; beide hatten keinen Appetit auf ein Abendessen. Er legte sich neben sie ins Bett, und seufzte auf, als die Daunenmatratze ihn wie in einer liebevollen Umarmung empfing. Mond und er waren zu erschöpft, um sich zu lieben; sie hielten einander nur fest umschlungen, sprachen wenig und versuchten, an gar nichts zu denken. Mond ließ eine Nachttischlampe brennen, weil sie die erdrückende Dunkelheit nicht ertragen konnte.
Endlich schlummerte sie ein, in seinen Armen Frieden findend. Während er über sie wachte, ihren warmen, atmenden Körper eng an sich gepreßt, wurden seine Lider schwer, und er nickte ein.
Er wußte nicht, ob er nur wenige Minuten oder Stunden geschlafen hatte, als die Flügeltür des Zimmers plötzlich mit lautem Krachen aufflog und er hochschreckte. Schlaftrunken und benommen setzte er sich im Bett hin. Mond stützte sich auf einen Ellbogen ab und zog sich die Decke über die Brust, während ein halbes Dutzend uniformierter Polizisten vor dem Bett Stellung bezogen.
»Vhanu?« staunte BZ und schirmte die Augen mit dem Arm ab, als im Zimmer plötzlich die Lichter angingen. »Was, zur Hölle, machen Sie hier? Was, im Namen von tausend Göttern, hat das zu bedeuten!«
Vhanu stand da und blickte auf die beiden Gestalten im Bett hinab. Der Ausdruck von Mitleid, Mißbilligung und finsterer Entschlossenheit, den Gundhalinu in den Augen seines früheren Freundes las, war ihm Antwort genug. Vhanu straffte die Schultern, wie wenn er salutieren wollte, doch statt dessen verlautbarte er: »Richter Gundhalinu, ich bin gekommen, um Sie zu verhaften.«
»Wie lautet die Anklage?« fragte BZ, der immer noch hoffte, das Ganze sei nur ein Alptraum.
Vhanus Mundwinkel zogen sich herunter. »Es ist meine ... schwierige und schmerzvolle Pflicht, Richter Gundhalinu, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß man Sie des Verrats bezichtigt.«
TIAMAT
Karbunkel
M ond folgte dem mürrischen Offizier durch das überfüllte Polizeipräsidium; wie durch einen Nebel nahm sie die Umgebung wahr, den Blick hielt sie starr auf den uniformierten Rücken des Mannes geheftet. Sie merkte, welche Unruhe ihr überraschendes Auftauchen hier verursachte – das Getuschel, die Spekulationen, das neugierige Gaffen, pflanzten sich fort wie die Bugwelle eines Schiffs.
Es ist die Königin; sie will Gundhalinu sehen, ihren Liebhaber. Man hat die beiden dabei erwischt, wie sie zusammen nackt im Bett lagen . . . ein Akt des Verrats ist das. Gundhalinu, der Held, ist jetzt Gundhalinu, der Verräter. Was will die Königin dieser Mutteranbeter noch von ihm, wo er jetzt hinter Schloß und Riegel sitzt?
Sie hatte den diensthabenden Sergeanten darum gebeten, den Obersten Richter Gundhalinu besuchen zu dürfen. Kopfschüttelnd erwiderte er: »Den Gefangenen darf niemand besuchen.«
Den Gefangenen.
Kein Hinweis darauf, was er bis gestern noch gewesen war, was er seinem Volk bedeutete, und welchen Dienst er der Hegemonie erwiesen hatte. Dann hatte sie nach der Chefinspektorin verlangt. Er übergab sie an einen seiner Offiziere, der sie dann unter dem hämischen Getratsche seiner Kollegen Spießruten laufen ließ.
Sie überstand die Prozedur, die ungewollte Beachtung ignorierend; sie wälzte Probleme von solcher Wichtigkeit, daß die Spötteleien dieser Fremdlinge ihr vorkamen wie nichtiges Geplapper. Zum Schluß verstummten die Leute, wie wenn sie ihr törichtes Benehmen einsähen, und ohne weitere Belästigungen
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