Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
nickte, und sie gingen den Weg zum Palast zurück. Mond führte ihn in die Zimmer, in denen Funke wohnte und arbeitete. BZ bemerkte die provisorische Bettstelle in einem Winkel des großen Raumes, der vollgestopft war mit Büchern und elektronischen Geräten. Bekleidungsstücke und andere persönliche Habe waren nachlässig in Truhen verteilt oder lagen unordentlich auf irgendwelchen Regalen. Plötzlich empfand BZ Mitleid mit dem Mann, dessen Privatleben er so gründlich in Aufruhr gebracht hatte. »Wo fangen wir an?«
Mond zögerte und schaute sich um; es war, als hätte sie dieses Zimmer noch nie zuvor gesehen oder wie wenn sie es stark verändert vorfände. »Vielleicht solltest du in seinen Aufzeichnungen nachsehen, ich durchsuche unterdessen seine Sachen.«
Er verstand, daß sie die Würde ihres abwesenden Mannes nicht dadurch verletzen wollte, daß sein Rivale in seinen persönlichen Besitztümern herumkramte.
Er setzte sich an den Computer und schaltete ihn ein; eine Akte nach der anderen fragte er ab. Hin und wieder übertrug er Informationen in seinen eigenen Datenspeicher, um sich später eingehender damit zu befassen, aber im Grunde entdeckte er nichts, was ihn überrascht hätte. Mond bewegte sich leise durch das Zimmer, durchforstete Stapel von Computerausdrucken, auf die handschriftliche Notizen gekritzelt waren, sie blätterte in Büchern, prüfte Bänder und Aufzeichnungen und sortierte sie nach einem bestimmten Schema aus.
Ständig war sich Gundhalinu ihrer Gegenwart bewußt, während er gleichzeitig die Daten auf dem Bildschirm beobachtete. Sie konzentrierte sich ganz auf ihr Vorhaben und schien ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben. Mitunter merkte er, wie sie zögerte, wenn sie auf irgendeinen Gegenstand stieß, der schmerzliche Erinnerungen in ihr weckte. Dann gab er sich Mühe, sie nicht anzusehen.
Endlich tauchte die letzte Akte auf dem Monitor auf. Er stutzte, als die künstliche Stimme des Computerports ihm mitteilte, die Akte sei durch einen Code geschützt. »Verdammt!« murmelte er.
»Was ist los?« fragte Mond.
»Ich bin auf eine gesperrte Akte gestoßen.«
»Und ich stehe vor einer verschlossenen Schublade ...« Sie bearbeitete das abgesperrte Fach mit der krummen Klinge eines Filiermessers, das sie auf dem Schreibtisch gefunden hatte. Ein Schrei entfuhr ihr, als die Schublade plötzlich aufsprang. Sie setzte sich hin und durchkämmte den Inhalt, den er nicht sehen konnte.
Sie hielt etwas in die Höhe: einen kleinen handgefertigten Beutel, mit Perlen und Stickereien versehen, eine einheimische Arbeit. Ohne Gundhalinu einen Blick zu gönnen, legte sie den Beutel auf den Tisch; BZs Anwesenheit schien sie ganz vergessen zu haben.
Noch etwas holte sie heraus – einen silbernen Anhänger an einer Kette, das genaue Gegenstück zu dem Medaillon, das Reede getragen hatte. Dieses Mal schaute sie über die Schulter und zeigte BZ das Zeichen der Bruderschaft.
Ihr Blick umwölkte sich, während sie den Anhänger vor ihrem Gesicht baumeln ließ; mittlerweile wußte sie,
was er symbolisierte. Dann ließ sie ihn fallen; laut klappernd fiel er auf den Boden.
Nach und nach leerte sie die Schublade; sie fand eine Außenweltler-Medaille, eine Kette aus bunten Glasperlen, einen uralten Kalibrator und einen Kinderkreisel aus Holz. Diesen Gegenstand hielt sie länger in der Hand als alle anderen, bevor sie ihn weglegte.
Dann faßte sie wieder in das Schubfach und zog etwas heraus – behutsam, wie wenn es zerbrechlich wäre. Gundhalinu sah eine Phiole aus braunem Glas, in der eine helle Haarlocke steckte; sie sah aus wie die weiße Schaumkrone auf einem Wellenkamm. Die Phiole mit beiden Händen haltend, starrte sie darauf.
»Dein Haar?« erkundigte er sich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Arienrhods?« fragte er leise.
Mit übertriebener Vorsicht stellte sie die Phiole auf den Tisch. »Vielleicht. Es könnten Arienrhods Haare sein ...« Plötzlich begannen die Tränen, die sie so lange zurückgehalten hatte, zu fließen. Von stummem Schluchzen geschüttelt, wandte sie sich ab und barg ihr Gesicht in den Händen. »Ich wußte nicht mal, daß sie sich mit ihm traf.«
Reede.
»Ich hätte es verhindern können! Ich habe sie nie richtig gekannt, und dabei ist sie mein Kind ...«
BZ stand auf, ging zu ihr und kniete neben ihr nieder. »Ich kannte sie überhaupt nicht ...« Sein eigener Kummer überwältigte ihn und machte ihn sprachlos; still hielt er sie in den Armen und lehnte den Kopf
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