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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Doch er drehte den Kopf zur Seite, öffnete den Mund und benutzte die einzige Waffe, die ihm noch geblieben war; er grub die Zähne in das Handgelenk des Mannes. Der Kerl stieß ein Gebrüll aus, der Druck gegen seine Kehle ließ nach, und das schwere Gewicht glitt von seiner Brust. Sobald er wieder klar sehen konnte, hob er den Kopf. Der Kerl, der versucht hatte, ihn zu erwürgen, streckte alle viere von sich, verdrehte die Augen und zuckte wie bei einem epileptischen Anfall. Dann klappten seine Lider zu, und der Körper erstarrte.
    Nach Luft schnappend, stützte sich Gundhalinu auf einen Ellbogen; jeder Atemzug brannte in seinem verletzten Schlund wie Säure. Das Gebrüll und Gelächter verstummte, und verblüfftes Geraune machte sich breit. Er hörte ärgerliche Fragen wie:
»Was ist passiert?«
    »Was hat er mit ihm angestellt?«
    »Ich bin ein Sibyl.« Das Blut des Fremden im Mund schmeckend, spie er die Frage aus. »Ich habe euch gewarnt.«
    Eine geraume Zeitlang herrschte Stille. Irgendwie gelang es ihm, sich auf die Füße zu stellen, und schwankend stand er da. Er sah den Piraten, der sich abseits hielt und den Kopf schüttelte.
»Zu viel Ärger«,
formten stumm seine Lippen. Keiner der Sträflinge rührte sich
    vom Fleck.
    Plötzlich erzitterte der Boden; Gundhalinu verlor das Gleichgewicht und stürzte hin. Wie auf Kommando stürmte der Kreis auf ihn zu, als sei er eine einzige Kreatur mit einem Dutzend Köpfen, einem halben Hundert Armen und Beinen, tausend Händen, Knien, Füßen und Fäusten. Sie stopften ihm Asche in den Mund und knebelten ihn mit einem Fetzen Stoff, dann fesselten sie an Händen und Füßen. Er wurde hochgezerrt, geschlagen, getreten und herumgeschleift; er ging von einer Hand zur anderen, begrub ihn unter einer wimmelnden Masse aus Leibern, bis er gegen den schwarzen Rand des Kraters knallte, den er vom Landeplatz aus gesehen hatte.
    Er hatte gerade noch Zeit zu begreifen, was mit geschah, bevor man ihn mit dem Gesicht zuerst hin zwängte. Schwarzer, stinkender Schlamm schloß über seinen Kopf, drang in seine Augen, die Naselöcher und die Ohren. Mit angehaltenem Atem betet zu sämtlichen Göttern seiner Ahnen und aller Welten, während er spürte, daß er immer tiefer einsank; man zog ihn nicht wieder hoch, damit er Luft schöpfen konnte, die Qual hörte nicht auf, man unternahm nichts, sondern ließ ihn einfach krepieren ...
    »... komm schon, komm schon, komm schon, du undankbares Stück Scheiße, komm endlich wieder zu dir. Na, komm schon!«
    Gundhalinu durchlief ein Schauer, und wie in einem bizarren Traum nahm er wahr, daß dieses hilflose, blutende Stück Fleisch, das der Mob aus ihm gemacht hatte, noch lebte. Sehen konnte er immer noch nicht, es war stockfinster wie in dem stinkenden Tümpel – das letzte, woran er sich erinnern konnte; aber jemand sprach auf ihn ein, eine Stimme, die ihm vage vertraut vorkam, haspelte eine Art monotonen Singsang herunter. Es ging unaufhörlich weiter, wie wenn der Urheber des Geleiers glaubte, Seelen aus dem Reich der Toten zurückholen zu können. Er stöhnte, und dabei merkte er, daß er nicht länger geknebelt war; probeweise hob er die Hände ans Gesicht – er war auch nicht mehr gefesselt.
    »Heh!« Jemand hielt seine Hände fest, als er die Augen berühren wollte. Er wehrte sich, fluchte, fuchtelte blindlings in der Luft herum, bis ihn die Kräfte verließen. »Du bist in Sicherheit«, sagte die Stimme. »Keiner wird dir etwas zuleide tun.«
    Reglos wie ein Toter lag Gundhalinu da; sein ganzer Körper wurde abgetastet, was höllisch schmerzte. Es war ihm egal, ob es eine Folter, eine Belästigung oder eine primitive medizinische Untersuchung war; das einzige, was ihm Angst machte, war seine Blindheit. »Meine Augen«, flüsterte er, als er sich zu sprechen traute.
    Sofort wanderten die Hände an seinen Kopf, hoben ihn leicht an, und sanft wie Vogelschwingen berührten Finger seine Wangen und seine Stirn. Plötzlich sah er ein Licht, einen matten, grauen Schimmer; das Licht wurde heller, nahm eine orangefarbene Tönung an und verwandelte sich in einen weißen, schmerzenden Glanz. Mit einem Aufschrei warf er die Hände hoch; diesmal hinderte ihn keiner daran, als er die Augen bedeckte, und das Licht langsam, Millimeter für Millimeter, in die Pupillen ließ. Obwohl es schrecklich weh tat, zwang er sich dazu, die tränenden Augen zu öffnen, und denjenigen, der ihn festhielt, anzuschauen.
    Verschwommen gewahrte er über sich das

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