Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
verrückt nach den Zerstreuungen der Außenweltler, weil sie so etwas bisher noch nicht kannten. Mit der Zeit werden sie diese Vergnügungen auch leid werden.«
»Wie denn, wenn es jede Woche etwas Neues gibt? Die Jugendlichen haben jeden Halt und jede Orientierung verloren, sie lassen sich einfach treiben.« Mond spürte, wie scharf ihre Stimme klang; es waren weniger die Verlockungen des Labyrinths, über die sie sich ärgerte, sondern die Art, wie Ariele darauf ansprach. »Zum Glück ist deine Merovy vernünftiger; sie denkt an die Zukunft.«
»Wie geht es Merovy?« erkundigte sich Fate. »Hat sie schon ihre Zeit als Assistenzärztin beendet? Und was macht Tammis? Jetzt, wo ich nicht mehr ins College gehe, vermisse ich seine Stimme und seine Musik. Und Dana?«
»Dana geht es gut. Seit er das neue Medikament einnimmt, hat sich sein Rücken sehr gebessert; die Arthritis ist praktisch geheilt. Und Merovy erhält in zwei Wochen ihre Lizenz«, erzählte Clavally.
»Wunderbar.« Fate lächelte. »Und was macht Tammis?« hakte sie nach, als Clavally nichts mehr sagte. »Die beiden passen so gut zusammen, sie haben sicher eine vielversprechende Zukunft vor sich.«
»Sie können nicht klagen«, antwortete Clavally, doch der Enthusiasmus war aus ihrer Stimme gewichen. Mond schaute sie verdutzt an. »Die beiden sind mit ihrer Arbeit sehr beschäftigt ... Merovy meint, daß sie viel zu wenig Zeit miteinander verbringen.«
Fates Gesichtsausdruck veränderte sich. »Wenn sie erst mit ihren Studien fertig sind, können sie sich einander wieder mehr widmen.«
»Ich weiß nicht.« Clavally blickte zu Boden. »Vielleicht ... ich hoffe es.«
»Ich wußte gar nicht, daß sie Probleme haben«, sagte Mond betroffen. »Tammis hat mir gar nichts davon erzählt ...« Er unterhielt sich mit ihr überhaupt nicht mehr über sein privates Leben, und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Wenn sie sich sahen, redeten sie übel die Mers oder über Forschungsarbeiten, Persönliches kam nicht zur Sprache. Und Ariele mied sie, als hätte ihre Mutter eine ansteckende Krankheit.
In letzter Zeit machte Tammis wirklich einen niedergeschlagenen Eindruck, fand sie, und Ariele schien immer eigensinniger zu werden. Allerdings hatte sie bis jetzt noch nicht über die Gründe nachgedacht – ebensowenig wie sie sich Gedanken darüber machte, weshalb die beiden ihr noch nicht die Frage gestellt hatten, die sie zweifellos bewegen mußte: Die Frage, wer ihr wirklicher Vater war. Doch sie hatten nicht gefragt ... und sie hatte nichts als Erleichterung dabei empfunden.
Sie hätte das Thema anschneiden müssen, und nicht ihre Kinder. Aber sie war viel zu beschäftigt mit den Angelegenheiten der Hegemonie ... und mit ihren problematischen Gefühlen für die beiden Männer, die gleichermaßen den Titel ›Vater‹ für sich beanspruchen durften. Sie hatte sich egozentrisch verhalten wie Arienrhod. Gewissensbisse quälten sie. Plötzlich war ihr der Appetit vergangen, und lustlos knabberte sie an ihrem Essen. »Ich will versuchen, mit ihm zu reden«, sagte sie.
Versuchen.
Sie versuchte es schon seit Monaten, jedoch ohne Erfolg.
»Und wie geht es Funke?« preschte Fate energisch und mit gutem Willen vor, als die peinliche Stille anhielt. »Er war schon lange nicht mehr bei mir. Arbeitet er immer noch an dem Programm, wie man eine unvollständige Fugenstruktur durch neue Segmente ergänzen kann? Sagte er nicht, es sei, wie wenn man Löcher in einem kunstvollen, mathematischen Netz flicken würde? Sein Verstand erstaunt mich immer wieder.«
Mit dem Finger zog Mond die alten Leimspuren auf dem Tisch nach und dachte daran, daß sie von diesem Projekt ihres Mannes nicht die geringste Ahnung hatte.
»Ich weiß es nicht. In letzter Zeit hält er sich nur noch selten im Palast auf. Er ... macht Geschäfte mit irgend welchen Winterleuten, die er noch von früher h kennt ... als er mit Arienrhod zusammenlebte.« Ihre Stimme wurde immer leiser, bis sie kaum noch zu hören war.
»Ach so«, erwiderte Fate nur. Ihr leerer Blick wanderte durch das Zimmer. Mond fragte sich, was sie in ihr Gedanken wohl sehen mochte.
»Aber wir sind nicht gekommen, um dir mit unser privaten Problemen, die vermutlich gar nicht so wichtig sind, den Tag zu verderben«, sagte Clavally mit gekünsteltem Lächeln. »Alles verändert sich, worüber w heute weinen, bringt uns morgen vielleicht schon zu Lachen.«
»Da wir gerade von Veränderungen sprechen ... Mond schlug gleichfalls einen
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