Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Stimme klang verschwörerisch und ermutigend zugleich.
Gundhalinu preßte die Lippen zusammen und erwiederte Wayaways' Blick.
Entweder die Mers sterben, oder di Königin wird geopfert,
verrieten seine Augen.
Die Entscheidung hegt bei dir.
»Also gut ...« Gundhalinu senkte den Blick. »Al gut«, wiederholte er mit kräftiger Stimme, wie wenn die Situation noch im Griff hätte. »Ich ziehe das Jagdverbot zurück. Aber es wird keine Opfer und keine Wechsel nach altem Brauch mehr geben. Von jetzt an müssen die Sommer und die Winter neue Wege des Zusammenlebens finden.«
»Sie sind ein gerechter und weiser Mann, Richter Gundhalinu«, bemerkte Wayaways lächelnd.
»Die Ratssitzung wird vertagt.« Gundhalinu schaltet seinen Monitor ab und zerknüllte das Papier, in dem di Fleischpastete eingewickelt gewesen war, in der Faust.
TIAMAT
Karbunkel
Die Königin, Sir.«
M ond ging an dem uniformierten Adjutanten vorbei, als er für sie Platz machte. Verlegen wandte sie den Blick ab, denn der Mann schien zu merken, daß sie ihn viel zu lang anstarrte. Seit sie den Regierungskomplex betreten hatte, waren ihr nur Außenweltler begegnet, und das verstärkte in ihr das Gefühl, daß sie ihre eigene, sichere Welt verließ und in das Unbekannte eindrang. Sie versuchte, sich nicht wie in einem feindlichen I ,aper vorzukommen, doch dieser Vergleich drängte sich ihr unwillkürlich auf. Auch der Adjutant hatte sie angestarrt, aber in seinem Blick lag nur Neugier, weiter nichts.
Sie ging ins Büro; die vertraute Umgebung war durch viele neue, unbekannte Dinge verfremdet. BZ Gundhalinu, der Oberste Richter von Tiamat, wartete hinter seinem Schreibtisch auf sie, der gleichzeitig ein Computerterminal war – die elektronischen Systeme waren aktiviert, und der ganze Mechanismus wirkte auf sie so sonderbar wie die fremdartigen Menschen, die diese Apparate nach Tiamat einführten. Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis die Einheimischen und die Außenweltler sich aneinander gewöhnt hätten - falls das überhaupt möglich war.
BZ blickte freudig überrascht drein. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, verflüchtigte sich ihre Unsicherheit, und plötzlich hatte sie nicht mehr das Gefühl, einen Fremden vor sich zu haben. Als er lächelte, krampfte sich ihr Herz schmerzhaft zusammen, doch daran war sie bereits so gewöhnt, daß sie sich nichts anmerken ließ. Sie vergegenwärtigte sich, weshalb sie gekommen war – nicht, um BZ Gundhalinu zu treffen –, und das würde er gleich erfahren.
Er stand auf. »Herrin«, sagte er und neigte ehrerbietig den Kopf. Die förmliche Anrede paßte nicht recht zu dem Ausdruck in seinen Augen. »Welch unverhofftes Vergnügen. Willkommen in meinem Büro.« Lächelnd kam er um den Schreibtisch herum.
»Ich stelle Ihnen gern mein Büro zur Verfügung, Richter Gundhalinu«, erwiderte sie und hielt ihm so die Hand entgegen, daß er sie auf tiamatanische Sitte begrüßen mußte. Mit sanftem, kräftigem Griff nahm er ihre Hand und behielt sie eine Spur länger in der seinen, als nötig. Nachdem er sie losließ, schloß sie die Finger um die warme Handfläche und ließ den Arm wieder sinken. Fragend schaute er sie an, und ihr Lächeln wurde wehmütig. »Das war nämlich mein Büro, als sich hier noch das Sibyllencollege traf.« Die Zusammenkünfte fanden nun im Palast statt.
»Ach so«, entgegnete er ein bißchen linkisch. Er wandte sich an den Adjutanten, der wartend in der Tür stand. »Danke Stathis. Sorgen Sie dafür, daß ich nicht gestört werde, solange ich mich mit der Königin unterhalte.« Der Adjutant salutierte und verließ den Raum; als sich die Tür hinter ihm schloß, waren sie endlich allein.
Eine Zeitlang rührte sich BZ nicht vom Fleck. Mond spürte, wie befangen und gehemmt sie beide waren. »Bitte, setzen Sie sich.« Er deutete auf einen niedrigen Sessel und nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz.
»Es ist das erste Mal, daß Sie mich ... hier ...« – um ein Haar hätte er schon wieder
in meinem Büro
gesagt –»aufsuchen. Daraus schließe ich, daß Sie in einer wichtigen Angelegenheit kommen, Herrin. Was kann ich für Sie tun?« Jede ihrer früheren Begegnungen hatten im Palast stattgefunden, wenn sie ihn um einen Besuch gebeten hatte. Zu diesen Treffen kamen beide gewöhnlich von einer Schar Beratern umringt; wenn sie in der Nacht nach einer Zusammenkunft mit ihm schlaflos im Bett lag und noch einmal jedes seiner Worte, jede seiner Gesten, nachempfand, fragte
Weitere Kostenlose Bücher