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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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haben die Hunde gefressen, und ich hab nicht mehr genug Geschenkpapier.«
    »Das ist alles nichts gegen das, was ich in Rolfis Zimmer gefunden habe … Das!« Sie hielt mir eine zerknüllte Zigarettenpackung hin. »Und das!« Mit spitzen Fingern zeigte sie mir ein Aluminiumpäckchen.
    »Was soll das sein?«, fragte ich ahnungslos.
    »Heroin.«
    »Was?«
    Ich riss ihr das Päckchen aus der Hand und öffnete es. Darin lag ein Häufchen Gras. »Mama, das ist Gras, musst du mich so erschrecken?«
    »Das macht dir nichts aus? Dass das im Zimmer deines Sohnes rumfliegt? Weißt du, wie viele Drogentote es im Jahr allein in Deutschland gibt?«
    »Doch, Mami, aber das ist kein Heroin, das ist Gras, ich werde mit Rolfi darüber reden.«
    »So fängt es an, Gundula. Dann kommt der Absturz. Die harten Drogen.«
    Ich schluckte. Vor mir sah ich eine riesige Spritze auf zwei Beinen, die an unserer Haustür klingelte. »Mama, das ist doch Unsinn, woher willst du das denn wissen?«, sagte ich entschieden.
    »Das weiß man doch. Und Rolfi scheint das auch zu wissen, sonst hätte er diese Drogen nicht versteckt!«
    »Du hast in seinem Zimmer herumgeschnüffelt?«
    »Nein, ich habe endlich mal dort aufgeräumt, und da fielen sie mir in die Hände.« Damit packte sie meinen Vater am Ärmel und schob sich an mir vorbei.
    »Wo gehen wir denn hin, Ilse? Ich wollte ein bisschen ruhen.«
    »Ruhen kannst du heute Nacht, Edgar, jetzt machen wir einen Spaziergang, damit du müde wirst.«
    »Ich bin müde.«
    »Nicht müde genug!«
    Ich schleppte mich die restlichen Stufen hoch und öffnete die Tür zu Ricardas Zimmer.

13.
    Kapitel
    Ricarda saß auf ihrem Bett und telefonierte. Sie unterbrach ihr Gespräch kurz, sah mich an und sagte: »Man klopft an, wenn man ein fremdes Zimmer betritt. Wann gibt’s Essen?«
    »Ich denke, du isst nichts«, antwortete ich. Wieso ließ ich mich immer wieder auf ihre Ebene hinab?
    »Wahnsinnig lustig.« Sie sah mich an und schien auf etwas zu warten. »Hast du vor, länger hierzubleiben? Oder was wird das?«
    »Pass mal auf, Ricarda, reiß dich ein bisschen zusammen, ja?«
    »Jetzt geht das wieder los.« Sie wälzte sich vom Bett. »Außerdem ist das mein Zimmer!«
    »Ja, Ricarda, meine Güte, ich will ja gar nicht zu dir. Ich suche deinen Bruder. Ist der hier irgendwo?« Ich blickte um mich, sah aber nur Unordnung.
    »Siehst du doch …«
    Bevor sie nach draußen verschwand und die Tür hinter sich zuknallte, hörte ich sie ins Telefon sagen: »Ey, meine Mutter nervt vielleicht wieder …«
    Ich starrte auf die Tür und hatte plötzlich die Vision meiner eigenen Beerdigung vor Augen: Die ganze Familie ist auf einem Friedhof versammelt (außer mir, ich bin ja tot und liege in einem schlichten Holzsarg). Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, jemand hat einen Grill aufgestellt, Würstchen brutzeln über der Glut. Alle sind bunt gekleidet und tanzen lachend zu fröhlicher Musik. Mein Sarg steht einsam neben dem ausgehobenen Grab, dahinter steckt ein Holzkreuz in der Erde. Jemand hat ein Foto mit meinem Gesicht daraufgepinnt. Plötzlich ruft Ricarda: Hey, wir haben Mami ja völlig vergessen! Ich freue mich ein bisschen in meinem Sarg, dass sie an mich denkt. Alle scharen sich um meine Kiste. Da verteilt Gerald kleine Dartpfeile, und alle beginnen auf das Foto von mir zu werfen. Bei jedem Treffer springen sie in die Luft und jubeln.
    »O Gott«, entfuhr es mir. Mir war richtig übel. Ich versuchte diese grässlichen Bilder zu verdrängen. Dann guckte ich mich wieder in Ricardas Zimmer um. Endlich erblickte ich Rolfi in dem Durcheinander beziehungsweise seinen braunen Haarschopf, der aus einem der Schlafsäcke am Boden lugte. »Rolfi?« Keine Reaktion. »Rolfi!« Ich beugte mich zu ihm hinab und zog an dem Sack. Rolfis Kopf kam zum Vorschein, er trug Kopfhörer.
    »Rolfi, kannst du mich hören?« Ich zog an den Kabeln, und die Stöpsel ploppten aus den Ohren. Er schrak zusammen, riss die Augen auf und starrte mich an, als erblickte er die Heilige Muttergottes. »Mann! Mama! Spinnst du? Du hast mich vielleicht erschreckt! Schleichst dich hier an und reißt mir die Kopfhörer aus den Ohren. Das kann man auch ein bisschen vorsichtiger machen. Mann, echt …«
    Ich sammelte mich, richtete mich auf und setzte mein autoritäres Gesicht auf. »Rolfi, ich muss mit dir reden.«
    Große Augen, große Stille.
    »Ja, setz dich mal bitte hin.« Er gehorchte sogar.
    Im Gegensatz zu Ricarda schrumpft Rolfi immer in sich

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