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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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sich nur in den seltensten Fällen zusammenreißen will.
    Mein Vater schob sich ein Stück Pizza in den Mund und kaute vorsichtig. »Was ist das?«
    »Pizza, Edgar. Es ist nicht das erste Mal, dass du Pizza isst.«
    »Warum bist du denn so aggressiv? Ich werde ja wohl noch fragen dürfen, was ich hier esse.«
    »Ich bin nicht aggressiv. Ich sage dir nur, dass du in deinem Leben schon die eine oder andere Pizza gegessen hast.«
    »Gib ihm doch was anderes, wenn er keine Pizza will«, schaltete sich Susanne mit vollem Mund ein und lächelte meinen Vater liebevoll an.
    »Susanne, ich habe nicht das Gefühl, dass Edgar die Pizza nicht mag, er hat sich nur nach dem Namen erkundigt.« Die Stimme meiner Mutter ging etwas höher. Schlechtes Zeichen.
    »Matz, guck doch mal, wo Ricarda bleibt, immerhin ist das unser Weihnachtsessen, und gleich wollen wir mit der Bescherung anfangen.«
    Ich sah auf die Uhr. Erst halb sieben.
    Der Abend zog sich hin.
    »Ricarda ist in ihrem Zimmer«, sagte Matz.
    »Deshalb sollst du sie ja holen.«
    »Sie hat gesagt, dass sie jeden, der an ihre Tür klopft, in Stücke reißt.«
    »Wer sagt das?«, fragte mein Vater.
    »Deine Enkelin Ricarda, das Mädchen von heute Nachmittag mit dem Bürstenschnitt und den zerfetzten Kleidern«, sagte Susanne und konnte sich einen kleinen triumphierenden Seitenblick auf mich nicht verkneifen. »Gerald, ich weiß gar nicht, warum Ricarda so kompliziert ist. Von dir hat sie das nicht! Gott, was warst du süß. Immer ein Lächeln im Gesicht, immer fröhlich und hilfsbereit!«
    Gerald wand sich ein wenig und grinste unsicher. »Mami, lass doch, so toll war ich nun auch nicht …«
    »Du? Du warst das Beste, was mir passieren konnte!« Sie beugte sich über den Tisch, um Gerald einen Kuss aufzudrücken, verlor kurz das Gleichgewicht und musste sich mit einer Hand auf dem Tisch abstützen, um nicht bäuchlings auf der Pizzaschachtel zu landen.
    Sie war wirklich ganz schön voll. Mal sehen, wo das noch hinführte.
    »Hoppalla.«
    Ich stand auf, um ihr einen Lappen zu holen. »Soll ich dir vielleicht für zwischendurch ein Wasser mitbringen?« Ich wollte es wenigstens versucht haben.
    »Nein, nein, Liebes, mach dir keine Mühe. Es gibt ja genug zu trinken.« Sie kicherte gefährlich.
    Ich lief in die Küche und hörte sie noch in meinem Rücken sagen: »Sie sieht schlecht aus, die arme Gundula. Sie hat ein ganz gelbes Gesicht.«
    »Das hab ich ihr auch schon gesagt. Sie sieht gar nicht gut aus.« Rose. »Und in ihrem Alter kriegt man auch schnell mal einen Schlaganfall oder was mit dem Herzen, sie ist ja schon bald fünfzig.« Sie hatte wieder den Mund voll und war schlecht zu verstehen.
    »Sag mal, Rose, hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass man erst den Mund leer isst und dann spricht?«, hörte ich meine Mutter sagen. Vielen Dank, Mami.
    »Wieso sagst du das?«, fragte mein Bruder.
    »Weil Rose über den ganzen Tisch spuckt, wenn sie redet.«
    Es folgte eine längere Pause. Also nahm ich in der Küche das Tuch und sah mit einem Auge, dass auf dem Herd irgendetwas vor sich hin köchelte. Eine klebrige weiße Masse. Ich hatte keine Ahnung, was das war.
    »Was kocht da auf dem Herd?«, rief ich und lief ins Wohnzimmer zurück. Die ausgelassene Stimmung von vorher war eisigem Schweigen gewichen.
    Mein Bruder hatte sich neben seine Frau gesetzt und wiegte sie hin und her wie ein Baby. Rose weinte.
    »Haferbrei«, sagte Hans-Dieter. »Das war wirklich ein dummer Kommentar, Mutti. Du schaffst es immer wieder, Menschen bis ins Mark zu treffen!«
    Matz fragte: »Tante Rose, warum weinst du denn?«
    »Tante Rose weint, weil Oma Ilse sehr, sehr böse zu ihr war«, sagte Hans-Dieter grimmig.
    »Also, was soll denn dieser Blödsinn, erzähl dem Jungen doch nicht so einen Quatsch!«
    »Das ist kein Quatsch, das machst du immer so. Du möchtest nicht, dass andere Menschen glücklich sind. Du kannst keine gute Stimmung ertragen.«
    Stille.
    »Hier, Susanne, für deine Hände.« Ich reichte meiner Schwiegermutter den Lappen. Dann setzte ich mich neben meine Mutter.
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich dir getan habe, Hans-Dieter.« Meine Mutter lächelte verkniffen. »Wenn ich nur hier bin, um mich beleidigen zu lassen, kann ich ja wieder gehen.«
    »Niemand will dich beleidigen. Hans-Dieter ist wahrscheinlich hungrig und deswegen ein bisschen ruppig«, sagte ich.
    »Ja, iss doch was, Hans-Dieter. Es ist noch genügend da!« Susanne machte eine ausladende Bewegung in

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