Tief im Herzen: Roman (German Edition)
dabeisein. Wir sitzen alle im selben Boot.«
»Fein. Großartig.« Phillip ließ sich auf einen Stuhl fallen und zerrte an seiner Krawatte.
»Es hat keinen Zweck zu schmollen, nur weil deine Steuerberaterin heute abend auf dich verzichten muß, Kumpel.« Ethan bot ihm freundlich lächelnd einen Teller an.
»Der Steuertermin steht dicht bevor.« Seufzend nahm Phillip sich Krautsalat. »Ich muß schon Glück haben, wenn ich vor dem 15. April noch einen zärtlichen Blick von ihr kriege. Und ich war so dicht dran.«
»Keiner von uns wird wohl in der nächsten Zeit in dieser Richtung aktiv sein.« Cam deutete mit dem Kopf zur Tür, als Seths Schritte auf der Treppe zu hören waren. »Das Getrappel kleiner Füße ist Mord für das Sexleben.«
Cam unterdrückte das Bedürfnis, sich noch ein Bier zu holen, und entschied sich für Eistee, als Seth die Küche betrat. Der Junge sah sich kurz um und schnupperte, als er den Duft des würzigen Hähnchens wahrnahm. Doch er stürzte sich nicht auf den Eimer, wie er es nur zu gern getan hätte.
»Was liegt an?« wollte er wissen und steckte die Hände in seine Taschen, obgleich sein Magen knurrte.
»Eine Familienkonferenz«, verkündete Cam, »beim Essen. Setz dich.« Er nahm sich auch einen Stuhl, als Ethan die frisch aufgewärmten Fritten auf den Tisch stellte. »Setz dich«, wiederholte er, als Seth sich nicht vom Fleck rührte. »Falls du keinen Hunger hast, kannst du ja einfach zuhören.«
»Ich könnte schon was essen.« Seth schlenderte zum Tisch und glitt auf einen Stuhl. »Das wird ja wohl besser schmecken als das gräßliche Zeug, das du uns bisher als Essen verkaufen wolltest.«
»Hör mal zu«, sagte Ethan in seinem nachsichtigen, gedehnten Tonfall, bevor Cam aufbrausen konnte. »Ich wäre eher dankbar, wenn jemand hin und wieder versuchen würde, eine heiße Mahlzeit für mich zuzubereiten. Selbst wenn es gräßliches Zeug wäre.« Ohne Seth aus den Augen zu lassen, neigte Ethan den Eimer, um sich etwas auszuwählen. »Besonders wenn dieser Jemand sich Mühe gibt.«
Da dies von Ethan kam, wurde Seth rot und rutschte auf seinem Stuhl herum. Dann zuckte er die Achseln, als er sich ein dickes Bruststück aussuchte. »Es hat ihn niemand gebeten zu kochen.«
»Um so mehr Dank schuldest du ihm. Es würde vielleicht besser funktionieren, wenn ihr euch abwechselt.«
»Er glaubt nicht, daß ich irgendwas kann.« Seth blickte Cam spöttisch lächelnd an. »Deshalb mach’ ich’s nicht.«
»Wißt ihr, ich bin versucht, diesen kleinen Fisch wieder in seinen Teich zurückzuwerfen.« Cam streute Salz auf seine Fritten und kämpfte gegen einen nahenden Wutanfall an. »Morgen um diese Zeit könnte ich in Moruba sein.«
»Dann geh doch.« In Seths Augen blitzten Zorn und Trotz auf. »Geh doch, wohin du willst, Hauptsache, du fällst mir nicht mehr auf den Wecker. Ich brauche dich nicht.«
»Du vorlautes Balg. Ich bin bedient.« Cam hatte lange Arme. Er griff über den Tisch und zerrte Seth von seinem Stuhl hoch. Als Phillip protestieren wollte, schüttelte Ethan den Kopf.
»Meinst du, es hat mir Spaß gemacht, in den letzten zwei Wochen den Babysitter für ein hochnäsiges kleines Ungeheuer zu spielen, das eine hundsmiserable Einstellung hat? Ich habe mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, um mich mit dir zu befassen.«
»Was für ’ne Leistung.« Seth war weiß wie ein Laken und wartete auf den Schlag, der todsicher kommen würde. Aber er würde nicht klein beigeben. »Du sammelst doch bloß Pokale und vögelst Frauen, mehr tust du nicht. Geh doch dahin zurück, wo du hergekommen bist, und mach weiter so. Mir ist das doch egal.«
Cam bemerkte, daß er alles allmählich durch einen roten Schleier sah. Wut und Enttäuschung stiegen in ihm hoch.
Er spürte die Hände seines Vaters an seinen Armen. Es waren nicht Rays Hände, sondern die des Mannes, der ihn als Kind immer wieder hemmungslos mißhandelt hatte. Er ließ den Jungen los, bevor er etwas Unverzeihliches tat. Dann sprach er mit ruhiger Stimme, und es war spürbar, wieviel Selbstbeherrschung es ihn kostete.
»Wenn du glaubst, daß ich deinetwegen bleibe, bist du auf dem Holzweg. Ich tue es für Ray. Hast du eine Vorstellung, wohin du verfrachtet wirst, wenn einer von uns zu dem Schluß kommt, daß du den Aufwand nicht wert bist?«
Zu Pflegeeltern, dachte Seth. Fremden. Oder schlimmer noch, zu ihr. Da seine Beine plötzlich zitterten, schlang er die Füße um die Stuhlbeine. »Euch ist doch schnuppe, was sie
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