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Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Tief im Herzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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veränderte nur seine Körperhaltung. »Lange leben sie nicht mehr. Dann sind sie Abendessen. Nimm einen Sechserpack Bier hinzu, und du hast ein Festmahl. Noch ein paar Wochen, dann gibt’s Weichschalenkrebse. Du klatschst sie zwischen zwei Brotscheiben und beißt rein.«
    Seth war flau im Magen. »Ich nicht.«
    »Zu zartbesaitet?«
    »Zu zivilisiert.«
    »Mist. Manchmal haben Mum und Dad uns im Sommer zum Hafen mitgenommen. Wir haben uns Sandwiches mit Weichkrebsen geholt, einen Bottich in Erdnußöl gebackener Fritten und dann zugesehen, wie die Touristen sich das Hirn zermarterten, was sie essen sollten. Wir haben uns kaputtgelacht.«
    Die Erinnerung machte ihn plötzlich traurig, und er versuchte diese Stimmung abzuschütteln. »Manchmal segelten wir auch, so wie wir jetzt. Oder wir fuhren zum Fluß und angelten. Mom war keine große Anglerin, deshalb
ging sie schwimmen. Anschließend setzte sie sich auf eine Bank und las.«
    »Warum ist sie nicht einfach zu Hause geblieben?«
    »Sie segelte gern«, sagte Cam leise. »Und sie war gern am Fluß.«
    »Ray hat gesagt, daß sie krank geworden ist.«
    »Ja, sie wurde krank.« Cam atmete tief ein und aus. Sie war die einzige Frau gewesen, die er jemals geliebt hatte, die einzige Frau, die er jemals verloren hatte. Die Sehnsucht nach ihr konnte ihn immer noch überfallen.
    »Na los«, sagte er. »Fahren wir runter nach Annemessex. Mal sehen, ob dort welche anbeißen.«
    Beiden fiel nicht auf, daß die drei Stunden, die sie auf dem Wasser verbrachten, die friedlichste Zeit war, die sie seit Wochen miteinander erlebten. Und als sie nach Hause zurückkehrten, sechs dicke gestreifte Barsche in der Kühltasche, herrschte zum erstenmal völlige Harmonie zwischen ihnen.
    »Weißt du, wie man die ausnimmt?« fragte Cam.
    »Schon möglich.« Ray hatte es ihm gezeigt, aber Seth war nicht auf den Kopf gefallen. »Von den sechs habe ich vier gefangen, das heißt, daß du sie ausnehmen mußt.«
    »Das ist der Vorteil, wenn man der Boß ist«, begann Cam, dann blieb er plötzlich stehen, als er Laken an der alten Wäscheleine flattern sah. Er hatte nichts an dieser Leine hängen sehen, seit seine Mutter damals krank geworden war. Hatte er schon wieder eine Halluzination? Sein Mund wurde trocken.
    Dann ging die Hintertür auf, und Grace Monroe trat auf die Veranda.
    »Hey, Grace!«
    Es war das erste Mal, daß Cam pures Glück und reine kindliche Freude in Seths Stimme hörte. Dies überraschte ihn derart, daß um ein Haar die Kühltasche auf seinen Fuß gefallen wäre, weil Seth sein Ende losließ und davonrannte.
    »Hallo, du.« Sie hatte eine warme Stimme, die einen
Kontrast zu ihrem kühlen Aussehen bildete. Außerdem war sie groß und schlank und hatte lange Arme und Beine. Früher einmal war ihr Traum gewesen, Tänzerin zu werden. Aber Grace hatte gelernt, die meisten ihrer Träume zu begraben.
    Ihr Haar war aus praktischen Gründen jungenhaft kurz geschnitten. Sie hatte weder die Zeit noch die Energie, sich Gedanken über modisches Aussehen zu machen. Ihr Haar war honigblond und im Sommer häufig von helleren Strähnen durchzogen, ihre Augen von sanftem Grün, die allerdings viel zu oft von dunklen Ringen umgeben waren. Ihr unverfälschtes, heiteres Lächeln brachte jedoch stets ihr Gesicht zum Leuchten und zeigte das Grübchen an ihrem Mund.
    Eine hübsche Frau, dachte Cam, mit dem Gesicht einer Elfe und der Stimme einer Sirene. Es erstaunte ihn, daß die Männer sich ihr nicht reihenweise zu Füßen warfen. Das Herz des Jungen hatte sie auf jeden Fall erobert, stellte Cam überrascht fest, als er sah, wie Seth sich in ihre ausgebreiteten Arme warf. Er umarmte sie und ließ sich umarmen  – dieses empfindliche Kind, das nicht angefaßt werden wollte. Dann wurde Seth rot, und er trat zurück und begann mit dem Welpen zu spielen, der hinter Grace aus dem Haus gekommen war.
    »Tag, Cam.« Grace schützte mit der flachen Hand ihre Augen vor der Sonne. »Ethan ist gestern abend in den Pub gekommen. Er sagte, ihr könntet Hilfe gebrauchen.«
    »Du übernimmst die Hausarbeit.«
    »Tja, ich kann euch pro Woche zweimal drei Stunden anbieten, bis …«
    Weiter kam sie nicht, denn Cam ließ die Kühltasche fallen, sprang die Stufen hinauf, packte sie und gab ihr aus lauter Begeisterung einen schallenden Kuß. Seth biß die Zähne zusammen, als er es sah, während Grace nach Luft schnappte und lachte.
    »Ist ja sehr nett«, brachte sie heraus, »aber ihr müßt mich trotzdem

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