Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief im Hochwald - Kriminalroman

Tief im Hochwald - Kriminalroman

Titel: Tief im Hochwald - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moni
Vom Netzwerk:
der sich dessen bewusst ist, dass er vor Gericht keine Genugtuung erhalten würde, und der sich darum persönlich rächt?«, ergänzte Charlotte.
    »Aber warum jetzt? Warum kommt diese Rache so spät?«, fragte Hajo.
    »Vielleicht hat der Mörder erst kürzlich von Pastor Feldmanns Verbrechen erfahren? Vielleicht hat eines der Opfer geredet? Das würde die Theorie stützen, dass es sich bei dem Mörder um einen Angehörigen handelt.« Charlotte kritzelte gedankenverloren auf einen Block.
    »Vielleicht eine der Ehefrauen?«, warf Vanessa ein.
    »Wenn ich es mir so richtig überlege …« Hajo stockte und schien nachzudenken. »Viele von Johannes’ Klassenkameraden scheinen weitestgehend bindungsunfähig zu sein, oder wie sagt man bei euch?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, wollte Charlotte wissen.
    »Soweit ich das beurteilen kann, sind sehr wenige verheiratet oder in festen Beziehungen. Aus Johannes’ Klasse hat auch fast keiner Kinder. Manche waren zwar mehrfach verheiratet, aber nie für lange.«
    »Ein gestörtes Sexualverhalten nach Missbrauchserfahrungen in der Kindheit, das wäre durchaus typisch«, stimmte Charlotte zu.
    »Wie wäre es mit einer Ehefrau, die hinterfragt hat, warum ihr Mann ein gestörtes Sexualverhalten hat? Oder ein gestörtes Verhältnis zu seinem Sohn? Sollen wir losziehen und jeden nach seinen Sexualpraktiken fragen?«, fragte Vanessa in verzweifeltem Tonfall.
    Gunter rief zwei der Trierer Kollegen zu sich nach hinten und kam nach ein paar Minuten wieder nach vorn. »Ich konnte nur ganz kurz mit Gorges sprechen. Er hat mir gesagt, ihm selbst gegenüber sei es nur zu minderschweren Vergehen gekommen, die spätestens zehn Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit des Opfers verjährt sind. Das war wohl auch bei einigen anderen aus seiner Klasse so, und die sind heute alle Mitte dreißig, darum hat Gorges nichts mehr gegen Feldmann unternommen.«
    »Ja, inzwischen, aber warum hat er früher nichts gemacht?«, fragte Hajo. »Ich meine vor Ablauf der Verjährung.«
    »Das habe ich ihn auch gefragt. Während seines Studiums hat er sich diesem Thema noch nicht gestellt. Erst als er nach seinem Abschluss in eine Kanzlei eingetreten ist, die Opfer von sexuellem Missbrauch vertritt, hat er seine eigene Vergangenheit zugelassen und sie mit einem Therapeuten aufgearbeitet. Bis er endlich mit seinen damaligen Klassenkameraden über deren Erfahrungen gesprochen hat, waren diese Fälle bereits verjährt. Ich habe zwei Kollegen aus der Sonderkommission darauf angesetzt, die telefonieren erst einmal die Namen ab, die Gorges mir genannt hat. Vielleicht bekommen wir Feldmann doch noch dran.«
    Zwar konnten immer mehr der damaligen Missbrauchsopfer namentlich benannt und der großen Liste hinzugefügt werden, aber viele von ihnen waren ganz sicher nicht in Hellersberg gewesen, als die Morde passierten. Die Zwillinge beispielsweise, deren Weg vorerst in Psychiatrie und Trinkerheilanstalt geendet hatte, hatten sicherlich ein Motiv, aber keine Möglichkeiten. Vanessa und ihre Kollegen hatten sich vergewissert, dass Dirk Schuh an den Mordtagen die Psychiatrie nicht hatte verlassen können. Und Frank Schuh war an wenigstens zwei Tattagen in der Suppenküche bei der Armenspeisung gesehen worden. Zu der Schwere der damaligen Taten konnten beide leider keine Aussagen machen, da sie nicht als zurechnungsfähig galten und ihre Erinnerungen nur mehr lückenhaft waren.
    Guido Thielen war auf seinem französischen Weingut mitten in der Traubenlese und konnte zu den Tatzeiten ebenfalls nicht in Hellersberg gewesen sein, was von mehreren Zeugen bestätigt wurde.
    Michael Schütz tanzte in Berlin an einem zweitklassigen Theater und hatte an den fraglichen Tagen Bühnenauftritte gehabt.
    Beide bestätigten, Missbrauchsopfer zu sein, aber sie hatten in der Vergangenheit bereits mit Volker Gorges gesprochen – die Taten, unter denen sie gelitten hätten, wären mittlerweile verjährt.
    »Können Sie uns auch etwas über andere Männer aus Hellersberg erzählen?« fragte Charlotte Hajo.
    Hajo überlegte kurz. »Josef ist seit drei Jahren nicht mehr im Dienst. Vorher hat einige Jahre seine Haushälterin bei ihm gelebt, und keiner hatte einen Zweifel daran, dass die beiden ein Paar waren. Das müssten rund neun Jahre gewesen sein. Meinen Sie, er hätte in der Zeit weiterhin Kinder angerührt?«
    »Das ist ein völlig neuer Aspekt, aber gehen wir ruhig einmal davon aus, dass er von den Kindern abgelassen hat. Wenn wir nur von

Weitere Kostenlose Bücher