Tief im Hochwald - Kriminalroman
würde mich jetzt gern zurückziehen und mir Gedanken über die Trauerfeier für unseren Bruder machen. Hoffentlich übernimmt das ein Geistlicher aus Trier, der höhere Weihen hat als ich.«
Der Pastor sah um Jahre gealtert aus, nicht so gefestigt in seinem Glauben, wie er es vielleicht gern gehabt hätte. Der Zweifel schien ihn körperlich zu erdrücken, er schlich mehr zur Tür, als dass er ging.
»Danke, Pastor Lämmle. Sie machen einen verdammt guten Job in Hellersberg!«, rief Vanessa ihm nach.
»Na, ich hoffe, verdammt ist er nicht«, sagte der Kirchenmann, und es stahl sich doch noch einmal ein Lächeln in den rechten Mundwinkel.
Die Tür hatte sich gerade erst hinter Pastor Lämmle geschlossen, als Vanessa von draußen erneut Stimmen hörte und wusste, dass sie wieder keine Gelegenheit hatte, durchzuatmen. Die Tür ging auf, und Bernadette kam zur Tür herein und sah dabei auf ihr Smartphone. »Ich habe diesen Staub analysieren lassen. Meine Kollegen schreiben gerade, es scheint schwarzer Granit zu sein, aber sie haben darin auch Metallspäne gefunden.«
»Granit ist der Stein, aus dem diese Skulptur auf dem Kirchplatz gefertigt ist, oder?«, fragte Heiner Landscheid.
»Mensch, Landscheid, das ist es!«, rief Vanessa. »Das würde auch die Metallspäne erklären. Womit bearbeitet ein Bildhauer seine Figuren? Bestimmt mit Feilen und einer Flex.«
»Ich sagte ja, der Schmutzfilm auf der Dose war so fein, dass man ihn mit bloßem Auge nicht sehen konnte. Der Täter hat ihn wohl nicht abgewischt, weil er sich gar nicht dessen bewusst war, einen Hinweis zu hinterlassen«, erklärte Bernadette.
»Dann müssen wir Trost so schnell wie möglich finden, mit ihm dürften wir endlich unseren Mörder haben. Hätten wir das nur früher gewusst, hätten wir ihn gar nicht erst wieder laufen lassen«, sagte Vanessa.
In seiner Werkstatt hatten sie Trost nicht angetroffen, daher vermuteten sie, dass er noch nichts vom Tod des Pastors mitbekommen hatte und derzeit an einem anderen Ort, der höchstwahrscheinlich der Finalkoordinate entsprach, Vorkehrungen für die Ermordung des Pastors traf. Da der Durchsuchungsbeschluss inzwischen vorlag, hatte sich die Spurensicherung Zugang zur Werkstatt verschafft.
Peter Erschens sagte: »Ich kann zwar nicht gut laufen, in meinem Knie hat sich Wasser gesammelt, aber telefonieren kann ich gut. Wen soll ich alles herholen?«
»Versuchen Sie, unseren Computerspezialisten aufzutreiben, ich vergesse immer, wie der heißt.«
»Der kleine Dunkelhaarige mit der Brille? Der mit der gebeugten Haltung und der Computerblässe? Ich weiß auch nicht, wie der heißt, aber ich werde Frau Schubert darauf ansetzen.«
Der Mann konnte anscheinend wirklich selbstständig arbeiten. Heiner Landscheid war zweifellos ein durch und durch guter Kerl, aber im Vergleich zu Erschens leider ein reiner Befehlsempfänger.
Frau Dr. Schulze-Obersehr betrat die Wache. Sie hatten bei der raschen Abfolge der Ereignisse ganz vergessen, sie zu informieren, dass sie gerade nicht gebraucht werde.
»Als Landärztin bin ich sicher mit mehr Dingen betraut als ein Allgemeinmediziner in der Stadt, wo man für jedes Wehwehchen direkt den Facharzt um die Ecke hat, aber Psychiatrie oder Neurologie waren nie mein Fachgebiet. Wenn Sie mir einen Hund oder ein Kalb vorbeibringen würden, könnte ich schon eher helfen, aber die Psyche des Menschen hat sich mir nie richtig erschlossen. Und die Psyche des gemeinen Hochwälders schon gar nicht«, musste die Ärztin sich Luft machen. »Diese Stüber bringt mich auf die Palme, und zu Trost kann ich leider nicht viel mehr als Lehrbuchwissen beisteuern.«
Vanessa setzte sie von Feldmanns Brief in Kenntnis und bat um Verständnis, dass im Moment die Suche nach Trost Vorrang haben müsse.
VIERZEHN
Diana kickte mit der Spitze ihres Wanderschuhs einen Stein vor sich her. Seit einer guten Stunde war sie schon mit Philipp im Wald unterwegs, um auf andere Gedanken zu kommen.
»Mir geht dieser Anblick von Rommelfanger einfach nicht mehr aus dem Kopf. Geht dir das auch so? Und bei uns zu Hause drehen alle völlig am Rad. Du hättest dir die Vorwürfe anhören müssen, die mein Vater mir gestern wegen der Radtour gemacht hat. Als ob es unsere Absicht gewesen wäre, in diese Mordserie verwickelt zu werden und einen Toten zu finden. Wie es mir dabei geht, fragt er nicht, er ist nur wütend, statt mich mal tröstend in den Arm zu nehmen. Mein Vater will endlich wieder arbeiten, kann aber mit
Weitere Kostenlose Bücher