Tief im Hochwald - Kriminalroman
seinem Knie kaum auftreten. Ständig schimpft er nur rum, dass, wenn er die Ermittlungen in der Hand hätte, sie sicher schon längst weiter wären. Soll er doch mit seinen Krücken zur Dienststelle hüpfen und mich endlich in meinen Ferien in Ruhe lassen«, schimpfte Diana vor sich hin.
»Selbstverständlich sind die Todesfälle auch in Kell Thema, aber es ist bei uns nicht so schlimm wie in Hellersberg«, meinte Philipp. »Es wird über den Hunsrück-Killer geredet, und natürlich gibt es Stimmen, die meinen, es hätte sicher seine Gründe, warum es nur Hellersberger trifft. Du kennst das, umgekehrt wäre es genauso.«
»Aber sind deine Eltern auch so durchgeknallt?«
»Das liegt bei dir vielleicht daran, dass dein Vater Polizist ist. Und dass du ein Mädchen bist. Ich glaube, um Mädchen macht man sich eben mehr Sorgen.«
»Dann überlegen wir doch mal kurz gemeinsam, wie viele Leichen weiblich waren und wie viele männlich«, sagte Diana aufgebracht.
»Hey, ist ja nicht böse gemeint, aber viele Mädchen können sich wirklich schlechter wehren als Jungs. Du hast doch meine Cousine kennengelernt. Sie halte ich für ein typisches Mädchen. Nur Mode, Jungs und Musik im Kopf, kreischt bei jeder Kleinigkeit vor Verzückung oder weil sie sich anstellt wie ein krankes Huhn. Die hat nicht so tough reagiert wie du, als ihr Rommelfanger gefunden habt. Die hätte ihn nie angerührt, nicht geschaut, ob sie noch helfen kann oder so. Um solche Mädchen müssen sich andere vielleicht Sorgen machen, weil die allein irgendwie nichts auf die Reihe bekommen«, versuchte Philipp zu erklären.
Diana war noch immer nicht überzeugt, und sie gingen schweigend nebeneinander her. Der Waldboden war so weit getrocknet, dass sie beide in den Fahrrinnen der Forstfahrzeuge laufen konnten. Als sie um eine Biegung kamen, war der Weg geschottert, und sie mussten nicht mehr darauf achten, wohin sie traten. Zu ihrer Linken wurde der Laubwald von einem Fichtenwald abgelöst, rechter Hand gingen sie an bemoostem Fels entlang, aus dem vereinzelte Farne und junge Birken wuchsen.
»Sag mal, hast du jemals gesehen, dass die Tür zum Stollen offen steht?«
Philipp war vor einem dunklen Gang stehen geblieben, der in den Felsen geschlagen und normalerweise mit einem Gittertor verschlossen war. Er hielt Diana an der Hand fest. Auch Diana starrte die schmiedeeiserne Tür an, die, seit sie sich erinnern konnte, niemals offen gewesen war. Nachdem ein Teil des Stollens eingestürzt war, wobei der zweite Zugang unpassierbar wurde, war der Zutritt zum Bergwerk aus Sicherheitsgründen verboten worden. Es gab viele Geschichten und Mutmaßungen, warum der Stollen damals eingestürzt sein könnte. Früher hatte es wohl wilde Partys im Bergwerksschacht gegeben, jugendliche Kiffer und Saufgelage, sogar von Orgien war manchmal die Rede. Alles, was im Ort nicht geduldet wurde, fand angeblich im Bergwerk statt. Auch nach dem Einsturz war es kein Problem gewesen, den Stollen zu betreten. Das altersschwache Tor, das den verbliebenen Zugang abriegeln sollte, stellte kein großes Hindernis dar. Erst als sich im Stollen eine seltene Fledermausart ansiedelte, die unter Naturschutz stand, wurde der Stollen endgültig geschlossen. Seit in diesem Zuge auch die Tür ausgetauscht worden war, hatte niemand mehr Zugang zum Stollen.
Diana ging näher an die Tür heran. »Sieh mal, Philipp, die sieht so aus, als sei sie schon häufiger benutzt worden. Das Scharnier ist gar nicht so verrostet, wie man erwarten könnte. Und das Schloss ist an manchen Stellen richtig blank. Ob hier schon häufiger jemand drin war?«
Philipp, der ganz dicht neben ihr stand, starrte ebenfalls auf das Schloss. Er tastete nach der Klinke und hielt inne, als sie von innen ein unverständliches Rufen hörten.
»Hast du das auch gehört?« Diana drückte Philipps Hand und hielt den Atem an. Mit der freien Hand zog Philipp sein Handy aus der Hosentasche und sah auf das Display.
»Kein Empfang«, flüsterte Philipp.
»Ruft da jemand um Hilfe?«, wisperte Diana so leise, dass es kaum zu hören war. Philipp zuckte die Achseln und wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Diana schüttelte den Kopf und hielt Philipp zurück.
»Was ist, wenn jemand in Gefahr ist? Vielleicht hält der Killer da drin jemanden gefangen«, zischte Diana.
»Ich fürchte, wir sind in Gefahr, wenn wir da reingehen.« Diana musste die Worte fast von Philipps Lippen ablesen, so leise sprach er.
»Ich kenne den Wald, wir
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