Tief im Hochwald - Kriminalroman
große hölzerne Kreuz und ging einen Schritt darauf zu. »Wollen wir es Folterkammer nennen? Was sagt Ihnen das über meine Psyche, Frau Psychologin?« Er grinste anzüglich.
»Haben Sie denn Ihre Mission vollständig erfüllt?«, fragte Vanessa. »Sind alle gestorben, an denen Sie Vergeltung üben wollten?« Als Trost nicht antwortete, legte Vanessa nach: »Ich glaube, ich habe begriffen, warum die Morde zu einer Cachekoordinate, zu dieser Koordinate führen sollten. Sie hatten Pech, dem Pastor waren die Details der Morde nicht bekannt. Er wusste nicht, dass die Koordinaten zu seiner Höhle geführt hätten. Haben Sie gehofft, er kommt zu Ihnen gelaufen und bittet um Gnade?«
Trost schüttelte energisch den Kopf. »Ich bin davon ausgegangen, dass er zumindest die Zusammenhänge versteht. Er sollte wissen, dass eines seiner Opfer hinter ihm her ist. Ich habe geglaubt, ich hätte ein paar weitere Tage Zeit, aber plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Ich hatte kaum Zeit, Rommelfangers Tod vorzubereiten. Ich hatte die Dose gerade in der Werkstatt in meine Jackentasche gesteckt, um noch ein passendes Logbuch in Hermeskeil zu kaufen, als mir das Schicksal in die Hände spielte. Ich war mit meinem Geländewagen auf der anderen Seite der Ruwer nach Hermeskeil unterwegs und musste mal pissen. Da habe ich diesen Kirchenheini gesehen, wie er sich die Hände in dem Flüsschen wusch. Ausgerechnet an einer Stelle, die über ein paar große Steine im Fluss von beiden Seiten gut erreichbar ist. Diese Gelegenheit musste ich nutzen. Er hat erst freundlich gegrüßt und von seinem Platten erzählt. Ich habe ihm angeboten, ihn nach Hellersberg mitzunehmen. Während er sich die Hände schrubbte, habe ich zugeschlagen. Er hat sogar gelächelt, bevor er zusammengebrochen ist. Ich brauchte nur die Dose aus meiner Jackentasche zu nehmen und neben ihn zu legen.« Trost kicherte wie ein ertapptes Kind.
»Um noch mal zum Pastor zurückzukommen …«, beharrte Vanessa.
»Tja, den hätte ich Ihnen gern auf dem Silbertablett serviert, aber Sie kommen zu früh. Jeder gute Katholik hat ein Kreuz an der Wand hängen, aber was ist ein Kreuz ohne Gekreuzigten? Sie sollten die Höhle so früh gar nicht finden, ich bin noch nicht fertig«, quengelte Trost, ging einen Schritt auf das Kreuz zu und verfiel in Schweigen.
»Wieso in der Höhle und nicht an einer Stelle, wo wir ihn auf jeden Fall gefunden hätten?«, fragte Charlotte.
»Wie gesagt, der Pastor hat früher zur Schnitzeljagd eingeladen. Dieses Mal wäre er das Ziel der Schnitzeljagd gewesen. Ich fand, das passt gut. Wir sind einmal mit ihm auf Pilzsuche gegangen und haben dabei scheinbar zufällig diese Höhle im alten Bergwerk entdeckt. Das durften wir aber niemandem erzählen, damit sie nicht geschlossen würde. Tja, Schuster war damals schon zu alt, der war nie mit auf Pilzsuche, sonst hätte er sich vielleicht ausgekannt. Beim Aufbau des Handwerkermarkts kamen wir ins Gespräch, und ich habe ihm gesagt, welche Pilze er nehmen soll, weil sie angeblich besonders lecker wären. Mit manchen Kindern machte der Pastor Fahrradtouren und ruhte sich nach einer anstrengenden Fahrt in der Höhle mit ihnen aus. Alles echte Männerevents: Wir durften das erste Bier trinken oder die erste Zigarette rauchen. Wir waren etwas Besonderes, wir waren schon groß, wir durften uns auch den nackten Körper eines Erwachsenen ansehen und mal fühlen, wie auch unser Körper in ein paar Jahren sein würde. Das waren Männerrituale, von denen wir unseren Müttern nichts erzählen sollten, denn für so was hätten Frauen kein Verständnis. All solche Sachen hat er erzählt, und wir haben es geglaubt. Eine Zeit lang ist er mit uns auf Hochsitze geklettert, was selbstverständlich verboten war und auch zu Hause nicht erzählt werden durfte. Und auf dem Trimm-dich-Pfad hat er mit uns Jungs trainiert, die von ihren Vätern wegen ihrer Schwächlichkeit verhöhnt wurden. Natürlich erzählten wir auch nicht, dass wir heimlich trainierten, um dem Idealbild unserer Eltern irgendwann gerecht zu werden. Diese Blöße gibt sich doch niemand.«
»Die Caches gaben Ihnen demnach einen gewissen Kick?«, mutmaßte Charlotte.
Trost zögerte einen Moment. »Außerdem war es spannend, der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein. Bei Jungblut habe ich mir extra mal was anderes einfallen lassen. Erst habe ich in der ›Post‹ Rommelfangers Handy an mich genommen, als wir gleichzeitig auf der Toilette waren. Er hatte es
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