Tief im Hochwald - Kriminalroman
aufs Waschbecken gelegt und dort vergessen. Vor der Beerdigung habe ich Jungblut vor der Metzgerei abgefangen, um ihm mein Beileid auszudrücken. Und dabei konnte ich wunderbar das Handy in seine Jackentasche gleiten lassen. Ich konnte meiner Kreativität freien Lauf lassen. Darum lag der Cache nicht bei dem Toten, sondern da, wo der Pastor früher tätig war. Ließ sich ja schnell im Internet finden, da konnte ich einfach den Cache eines anderen nutzen. Ich war sicher, den Pastor umbringen zu können, bevor Sie das verhindern könnten.«
»Haben Sie nie daran gedacht, dass Sie mit den Caches auch Hinweise auf sich selbst gelegt haben?«, lenkte Vanessa ihn weiter ab.
»Nein, man findet ja sonst auch nicht den Final, bevor man nicht alle Stationen gelöst hat. Und Sie haben auch ganz schön lange gebraucht.«
Trost kicherte erneut. Er neigte sich zur Seite und hob mit ausgestrecktem Arm eine Schnapsflasche vom Boden auf, öffnete sie und nahm einen tiefen Schluck. Vanessa spannte sich an, bereit, seine Unaufmerksamkeit auszunutzen und auf ihn loszustürzen, aber Trost ließ die Flasche fallen und sprang einen Schritt zurück. Er flüsterte fast, aber laut genug, dass sie ihn hören konnten. Vorsichtig gingen Vanessa und Charlotte zwei Schritte auf ihn zu, um ihn besser verstehen zu können. Trost hatte noch circa zwei Meter bis zur Wand, an der das Kreuz lehnte, danach könnte er nicht mehr weiter zurückweichen, und sie könnten ihn überwältigen. Laut Landscheid und Erschens gab es keinen weiteren Ausgang aus dem Stollen. Selbst wenn Trost in den Gang zu seiner Linken flüchten könnte, müsste er in einer Sackgasse landen.
»Die Ostermann hatte es lange schon verdient. Sie hätte viel früher sterben sollen. Aber ich hatte alles verdrängt. Versoffen, mit Drogen aus meinem Gehirn verbannt. Aber plötzlich kamen diese Berichterstattungen über Kinder in katholischen Internaten, und alles kam wieder hoch. Die Ostermann habe ich zufällig auf einem Foto im Volksfreund von den Heilig-Rock-Tagen in Trier gesehen. Sie stand in der Warteschlange vor dem Dom, um sich die Reliquie anzusehen. Und da wusste ich wieder, wie scheinheilig sie damals gewesen war. Ich war damals bei ihr und habe ihr erzählt, was mir widerfahren ist, das muss im vierten Schuljahr gewesen sein. Zur Beichte brauchte ich ja nicht zu gehen, der Pastor wusste eh schon alles. Da dachte ich, wenn ich es ihr erzähle, unternimmt sie vielleicht etwas. Meinen Eltern hätte ich nichts sagen können. Aus Sicht meines Vaters war ich sowieso ein Schwächling. Und meine Mutter ist zu jeder Gelegenheit in die Kirche gerannt. Vielleicht hatte sie selbst was mit dem Pastor, ich weiß es nicht.«
Er wischte sich mit dem Handrücken über seine Stirn, auf der Schweißtropfen glänzten. Vanessa hoffte, dass das Kerzenlicht ihn blenden würde, sodass er sie nicht richtig sehen könnte. Dann könnte Vanessa ihre Pistole so auf ihn richten, dass sie ihn unschädlich machen konnte. Sie hatte gehört, wie sich Gunter und Landscheid von ihr entfernt hatten, aber wieder in den Gang zurückgekehrt waren. Peter Erschens schien bei ihnen zu sein, sie hatte einen unregelmäßigen Schritt gehört, der von seinem Humpeln stammen musste. Die Männer könnten Trost vielleicht gemeinsam überwältigen, aber es war wichtig, ihn von diesem Kanister und dem offenen Feuer fortzudrängen. Wenn sie ihm langsam stetig näher kämen, würde er vielleicht immer weiter zurückweichen.
»Als ich die Ostermann so sah, erinnerte ich mich wieder, wie sie mich damals angeschrien hat. Sie sagte, so was würde einem Jungen nicht passieren, ich solle sofort aufhören, Lügen über den Pastor zu erzählen. Wer hat schon vor dreißig Jahren einen Schwarzkittel angeschwärzt? Die waren absolut integer, über jeden Zweifel erhaben, gute Hirten, die sich um ihre Schäfchen kümmerten. Sehr intensiv und im eigenen Interesse, aber dafür war die Gesellschaft damals blind. Ich musste die Hose runterziehen, und sie hat mich mit einem Rohrstock windelweich geprügelt. Danach hat sie den Stock auf meiner Hand entzweigeschlagen.« Trost hielt die linke Hand in die Höhe, sodass man sehen konnte, dass der kleine Finger in einem unnatürlichen Winkel von den übrigen abstand. »Eigentlich hätte ich ihren Finger in die Dose tun sollen, aber der Gedanke kam mir leider zu spät.«
»Warum Martin Marx?«, fragte Vanessa weiter. Sie wollte ihm keine Zeit zum Nachdenken lassen, damit er sich nicht überlegen
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