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Tief im Hochwald - Kriminalroman

Tief im Hochwald - Kriminalroman

Titel: Tief im Hochwald - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moni
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neuer Versuch. Bestimmt war es ihr Hochzeitstag, aber der fiel ihm im Moment beim besten Willen nicht ein. Hastig versuchte er, seinen Trauring vom Finger zu zerren, aber vor sechsunddreißig Jahren war er wesentlich schlanker gewesen. Er lutschte an seinem Finger herum, bis er endlich den Ring lösen und das eingravierte Datum lesen konnte, das ihm sofort wieder vertraut war. Er tippte die vier Ziffern ein und wurde mit den Worten »Hallo, mein Dickerchen« auf dem Display begrüßt. Ein warmes Gefühl breitete sich trotz der Situation in Hajo aus. Er tippte die Nummer von Heiners Festnetzanschluss ein, da er die Handynummer seines Skatkumpels nicht auswendig wusste. Freitagmorgen, mehr als unwahrscheinlich, Heiner zu Hause anzutreffen.
    »Landscheid«, meldete sich eine Frauenstimme.
    »Gabriele?«, schrie Hajo ins Handy.
    »Ja, Gabriele Landscheid, mit wem spreche ich bitte?«
    Das Handy piepste, Hajo sah auf das Display: »Akku schwach«.
    »Hallo, ist da jemand?«
    »Ja, ich bin’s, Gabriele, der Hajo. Aber ich bin nicht allein, hier ist noch jemand.«
    »Guten Morgen, Hajo. Ja, du klingst auch gerade so, als wärst du nicht ganz allein. Warum rufst du denn an?«
    »Gabriele, hol mal schnell den Heiner ans Telefon!«
    »Hans-Joachim Nert, es ist Freitag, halb zehn, wo ist Heiner da normalerweise? Auf der Dienststelle selbstverständlich.«
    »Gabriele, mein Handy ist fast leer. Schick Heiner hierher, ich glaube, er ist tot!«
    »Wer ist tot?«
    »Der Mann hier neben mir. Ich bin –«
    Die Verbindung riss ab, der Akku hatte keinen Saft mehr. Hoffentlich würden Heiner und Gabriele bald darauf kommen, wo Hajo war, sonst müsste er auf den nächsten Wanderer warten, was an einem Freitagmorgen lange dauern konnte. Oder er musste die mehr als zwei Kilometer nach Waldhölzbach laufen und den Toten allein lassen.
    Erst nach zwanzig Minuten hatte Hajo sich so weit beruhigt, dass ihm richtig bewusst wurde, dass ihn an dieser Stelle niemand finden konnte. Ursula konnte nicht wieder vom Einkaufen zurück sein, und sonst hatte er niemandem erzählt, wo er wandern wollte. Er überlegte, ob er Heiner einen Zettel schreiben sollte, aber was sollte er schreiben? »Bin gleich zurück«? »Heiner, ich war das nicht«?
    Hajo beschloss, über den Felsenweg nach Waldhölzbach zu laufen. Wenn er seinen Rucksack mitnehmen würde, wäre er deutlich langsamer, aber hierlassen wollte er ihn auch nicht. Nie zuvor war sich Hajo so verunsichert und hilflos vorgekommen. Er entschied sich, mit Gepäck in die benachbarte Gemeinde zu wandern, dann müsste er später vielleicht nicht mehr hierher zurückkommen.
    Obwohl Hajo ein geübter Wanderer war, zog sich der Weg schier endlos dahin. Als er über den Bach musste, rutschte er auf den glitschigen Steinen aus und fiel unsanft hin. Sein Konzentrationsvermögen war durch den Fund von eben arg strapaziert, auf den steinigen Abstiegen fehlte ihm an diesem Tag die gewohnte Trittsicherheit. Der Weg war zum Teil recht steil, und Hajo kam schnell außer Atem. Als er am Teufelsfelsen ankam, setzte er sich für einen kurzen Moment auf die Schaukel. Die steilen Aufstiege waren heute zu viel für Hajos Herz. Normalerweise genoss er an dieser Stelle immer die wundervolle Aussicht, aber heute hatte er hierfür überhaupt keinen Blick. Hajo atmete kurz durch, bevor er weiterging. Nach knapp vierzig Minuten kamen endlich die ersten Wohnhäuser von Waldhölzbach hinter dem Backhaus am Parkplatz in Sicht, und Hajo beschleunigte seine Schritte. Auf sein Klingeln am ersten Haus reagierte niemand, aber gegenüber registrierte Hajo eine alte Frau auf einer Gartenbank vor dem Haus. Sie weigerte sich jedoch, ihn telefonieren zu lassen, und verwies ihn an ihre Schwiegertochter wenige Häuser weiter.
    »Ja?«, klang es aus der Sprechanlage über dem Klingelknopf.
    Hajo räusperte sich. »Entschuldigen Sie bitte, ich bin Hans-Joachim Nert aus Hellersberg. Mein Handy ist leer, und ich müsste mal ganz dringend telefonieren. Wirklich dringend!«
    »Moment, bitte.«
    Hajo wartete und besah sich die umliegenden Häuser, bis hinter ihm die Tür aufging und ihm eine Frau Ende zwanzig mit einem Baby auf dem linken Arm und einem schnurlosen Telefon in der rechten Hand entgegentrat.
    »Sie können gern von dort draußen telefonieren.«
    »Guten Morgen, Frau …« Hajo schielte auf das Klingelschild.
    »… Langenbach-Segeberg. Ist Ihnen etwas zugestoßen?«
    »Mir nicht, aber jemand anderem. Ich möchte Ihre Freundlichkeit

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