Tief im Hochwald - Kriminalroman
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»Aber Herr Trost«, ergriff Alexandra Stüber wieder übereifrig das Wort, »wenn Sie jetzt quasi zu uns gehören, darf ich sicher Rolf zu dir sagen.« Rolf Trost war anzusehen, dass ihm das nicht gefiel, aber vor den versammelten Hellersbergern hatte er keine Möglichkeit, dieses Du auszuschlagen.
»Wie wäre es«, fuhr Alexandra Stüber fort, »wenn wir alle mal zu dir ins Atelier kommen und uns die Werke ansehen, die du ausstellen möchtest.«
Trost winkte heftig ab. »Dazu ist meine Werkstatt zu klein, und ich möchte auch nicht jedes meiner Werke der Öffentlichkeit preisgeben.«
»Aber wir wissen schließlich nicht einmal, mit welchen Werkstoffen du arbeitest.«
»Ich werde Werke aus Holz und Stein ausstellen. Sobald ich weiß, welche Plätze ich bestücken soll, werde ich dem Festausschuss rechtzeitig eine Auswahl vorstellen«, antwortete Trost.
»Und ich dachte schon, Sie würden die Tonskulpturen ausstellen, die Sie immer im alten Töpferofen meines Großvaters bei mir in der Backstube brennen«, rief die Bäckersfrau mit einem deutlichen Anklang von Erleichterung.
Die Menge war unruhig vor Neugierde geworden. Keiner wusste Näheres über den Künstler, der zwar in Hellersberg geboren worden war, nach einer gescheiterten Schulkarriere aber das Dorf verlassen hatte und vor zwei Jahren unerwartet zurückgekehrt war. Sein kinderloser Patenonkel hatte ihm einen alten Hof am Ortsrand vererbt, den Trost gänzlich ohne fremde Hilfe zur Werkstatt umgebaut hatte. Viele Dorfbewohner hätten das Haus gern einmal von innen gesehen, aber Trost hatte jegliche Hilfe abgelehnt. Er habe die Pläne genau im Kopf, und eine Abweichung von seiner Vorstellung könne die Ausstrahlung des Ortes verändern, hatte er gesagt. Für die meisten klang diese Aussage so esoterisch, dass sie nie wieder fragten.
Trost setzte sich wieder hin und machte damit deutlich, dass das Thema für ihn beendet war. Es folgte eine Diskussion über die Plätze, die für das Ausstellen der Kunstwerke in Frage kamen, an der sich Trost jedoch nicht beteiligte. Zu guter Letzt erhielt er den Auftrag, fünf Stellen mit Skulpturen zu bestücken.
Man vertagte sich auf Samstag nächster Woche morgens ab zehn Uhr, um mit den gemeinsamen Arbeiten zu beginnen.
»Ich finde deine Idee mit deinem Apfelstand wundervoll«, lobte Hajo seine Nachbarin Ursula. »Dein Apfelkuchen ist wunderbar, dein Apfelschnaps ist weithin bekannt, und selbstverständlich können wir auch Apfelsaft und Viez anbieten.«
»Wir, Hajo? Wir machen den Stand demnach gemeinsam?« So war es gar nicht gemeint gewesen, aber das wollte Hajo nicht zugeben, schließlich war er auf eine Mitfahrgelegenheit aus.
»Die Feinplanung machen wir nächste Woche, wie Justinger gesagt hat«, beendete Hajo die Überlegungen und leerte seinen Viez in einem Zug.
ZWEI
Die Woche bis zum nächsten Treffen verging wie im Flug. Ganz Hellersberg beteiligte sich an den Vorbereitungen. Am Freitag war Hajo mit der Apfelernte fertig geworden, hatte Apfelsaft und Viez gemacht und war nun endgültig so weit, dass er sich einen Ruhetag gönnen konnte. Ursula musste nach Losheim fahren, um einzukaufen.
»Ursula, wenn du so gut wärst, über Scheiden nach Losheim zu fahren und mich mitzunehmen, könnte ich über den Saar-Hunsrück-Steig bis Weiskirchen wandern. Das sind rund dreizehn Kilometer, von da komme ich schon wieder zurück«, bat Hajo, als er Ursula am Donnerstag Äpfel für Gelee und Kuchen vorbeibrachte.
Hajo wanderte gern am frühen Morgen, da waren noch nicht so viele Leute unterwegs, wenn der Wald erwachte. Sie verabredeten sich für acht Uhr und fuhren pünktlich los.
Auf seinem Schoß hatte Hajo seinen Rucksack mit der üblichen Verpflegung.
Ursula griff an ihm vorbei, öffnete das Handschuhfach und ließ die Hand länger als notwendig zwischen Hajos Beinen liegen. Hajo erstarrte und wagte nicht, sich zu bewegen, aus Angst, eine ungewollte Berührung herbeizuführen. Eine scharfe Rechtskurve zwang Ursula dazu, endlich wieder beide Hände ans Lenkrad zu nehmen. Hajo plumpste etwas Warmes in den Schoß. Zum Glück hielt er den Rucksack so, dass er sehen konnte, was da in seinem Schoß vor sich ging.
»Ich bin schon um sechs Uhr aufgestanden, um dir einen kleinen Apfelkuchen zu backen, damit du unterwegs an mich denkst.« Der süße Geruch von Äpfeln und Zimt stieg Hajo in die Nase und hätte ihm fast die Sinne vernebelt, wäre ihm nicht bewusst gewesen, welchen Zweck Ursula mit dieser
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