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Tief im Hochwald - Kriminalroman

Tief im Hochwald - Kriminalroman

Titel: Tief im Hochwald - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moni
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einzige Evangelische in der Klasse, wie war denn die Ostermann so?«, fragte Oliver nach.
    »Wie seid ihr bloß auf die Idee gekommen, ausgerechnet sie einzuladen?«, erkundigte sich Hartmut.
    »Wir haben einfach alle Lehrer eingeladen, aber sie war die Einzige, die zugesagt hat«, erläuterte Matthias.
    »Die alte Ostermann war eine Schreckschraube. Alle hatten Angst vor ihr. Nie konnte man es ihr recht machen. Immer hat sie einen ermahnt und an die Gebote erinnert. Wir Jungs mussten oft in der Ecke stehen oder ihr die Tasche zum Auto tragen. Sie war eine richtige Kinderhasserin«, schilderte Roland, als Jürgen laut und vernehmlich hustete.
    In der Tür stand eine alte, gebeugte Frau, vornehm, aber fad gekleidet in einen dunkelblauen Faltenrock, eine warme Strumpfhose in festen Schuhen und eine weiße Bluse.
    »Frau Ostermann, das freut uns aber, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, an unserer kleinen Feier teilzunehmen.« Mit überschwänglicher Freude, von der Johannes wusste, dass sie nur gespielt sein konnte, ging Matthias auf die alte Frau zu und streckte ihr die Hand entgegen.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie nicht mehr erkenne, aber meine Augen sind nicht mehr so gut, wie sie sein sollten. Ich höre auch nicht mehr allzu gut. Mal sehen, ob ich mich noch an den ein oder anderen erinnere.«
    Sie schritt die Reihe ab, begrüßte jeden mit festem Händedruck, ließ sich den Namen nennen und von jedem kurz schildern, was aus ihm geworden war. Als die Reihe beendet war, war es an der Zeit, hinüber zum Festplatz zu gehen, um dort Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen. Jürgen wollte Frau Ostermann mit dem Auto mitnehmen, aber diese war trotz ihrer schlechten Augen mit dem eigenen Wagen da. Also verabredeten sich alle auf dem Festplatz.
    Der Tag verlief harmonisch, mit viel Gelächter und vielen Geschichten. Als Matthias und Jürgen mitteilten, sie hätten einen kleinen Rundgang durch Hellersberg geplant, weil so viele nicht mehr in ihrer alten Heimat wohnten, stöhnte die Lehrerin auf.
    »Da werde ich nicht mitgehen, aber ich kenne sicher noch die ein oder anderen Eltern oder Geschwisterkinder. Ich werde auf jeden Fall bis zum Festamt in Hellersberg bleiben, danach wird es aber Zeit, dass ich nach Hause komme, ich kann im Dunkeln kein Auto mehr fahren. Außerdem wollte ich auf dem Heimweg wie immer an der Lutwinus-Kapelle haltmachen.«
    Somit trennten sich ihre Wege, und Johannes holte schnell die Wanderschuhe aus dem Gasthof, die er am Mittag bei Ruth Eiden abgegeben hatte. Am Fenster saß eine hübsche rothaarige Frau in seinem Alter, die tief in ein Buch versunken schien. Sein Blick verharrte auf ihr, während er auf Ruth Eiden wartete, damit sie ihm die Schuhe hinter der Theke hervorholen konnte.
    Gerade rechtzeitig zum Festamt kam die Gruppe zurück. Jürgen verabschiedete sich vorerst und ging in die Kirche, während die anderen sich wieder auf dem Festplatz versammelten. Der Organist hatte sich schon am Mittag eingespielt und musste nicht wesentlich früher da sein. Der alte Pastor hätte sicher darauf bestanden, aber der junge Pastor Lämmle hatte viel Verständnis dafür, wenn Jürgen nicht viel früher kam, da er selbst ja auch aus Kell anreisen musste. Regelmäßig hatte er in zwei Pfarreien direkt nacheinander Messen abzuhalten und daher kaum Zeit, dazwischen Kontakt zu seinen Schäfchen aufzunehmen.
    »Tja, der alte Feldmann war noch ein Pastor zum Anfassen«, sagte einer von Johannes’ Schulkameraden mit einem breiten Grinsen.
    Alle waren erleichtert, dass Frau Ostermann sich schon vor dem Rundgang von allen verabschiedet hatte und bei ihrer Rückkehr bereits in der Kirche saß, da die Gespräche mit ihr sehr gezwungen und wenig unterhaltsam gewesen waren.
    Es wurde ein langer, feuchtfröhlicher Abend. Nach dem offiziellen Fassanstich durch den Bürgermeister und den Reden, denen niemand so recht zuhörte, wurde es irgendwann draußen zu kühl und zu feucht, und alle zogen sich in den Gasthof »Zur Post« zurück. Johannes sah sich immer wieder suchend nach der Rothaarigen um, die er nicht kannte, die seiner Meinung nach aber von einer Aura aus Schwermut und dennoch einer geheimnisvollen Energie umgeben war. Gegen elf sah er sie durch den Gastraum eilen. Sie grüßte knapp und ging an der feiernden Schulklasse vorbei zur Treppe nach oben. Johannes sah ihr nach und verspürte das dringende Bedürfnis, sie näher kennenzulernen.
    »Jürgen, du wohnst doch noch in Hellersberg, wer ist die

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