Tief im Hochwald - Kriminalroman
unbekannte Schöne?«, fragte Johannes den Organisten.
»Du meinst unsere Kommissarin?«, entgegnete Jürgen. »Vergiss sie, sie steht unter dem besonderen Schutz deines Vaters.«
FÜNF
Am nächsten Tag um halb zwölf, einem strahlend schönen Herbstmittag, sah Hajo den hellblauen Fiat in seine Einfahrt einbiegen. Vanessa trug ein schwarzes Shirt und darüber ein kurzes Hängerkleidchen in schwarz-lila Karomuster. Darunter hatte sie hochhackige schwarze Pumps und eine glänzende Nylonstrumpfhose, die ihre Beine betonte. Als Hajo die Haustür öffnete, hielt sie ihm eine Flasche Schnaps entgegen.
»Ich habe Frau Eiden gefragt, was du gern trinkst, und sie hat mir diesen Mirabellenschnaps verkauft. Ich habe ihn gestern Abend schon bei ihr probiert, du hast einen guten Geschmack.«
Hajo nahm die Flasche entgegen und hätte Vanessa am liebsten vor Dankbarkeit für diese nette Geste umarmt, aber er wusste nicht recht, wie sie das aufgefasst hätte.
»Dann hoffe ich mal, dass wir uns den nach dem Essen verdient haben. Es stört dich hoffentlich nicht, wenn wir adelig essen?«
Vanessa sah ihn fragend an.
»Na, von gestern. Die Klöße habe ich selbstverständlich frisch gemacht und den Nachtisch auch, aber der Braten und der Rotkohl sind von gestern. Ich habe uns als Vorspeise ein Pilzsüppchen gekocht, war nicht sicher, ob es reichen würde.« Hajo nahm Vanessa ihren kurzen schwarzen Mantel ab, den sie über dem Arm trug, und bat sie ins Haus. Draußen war es sonnig und warm, darum hatte Hajo auf der Terrasse gedeckt.
»Wir sind zu dritt?«, fragte Vanessa nach einem Blick auf den geschmackvoll gedeckten Tisch: Zierkürbisse auf einer orangefarbenen Tischdecke, buntes Herbstlaub und Bündel aus Holunderbeeren, dazu altmodisches, aber vornehmes weißes Porzellan mit Goldrand.
Hajo nickte.
»Womit kann ich mich nützlich machen?«, fragte Vanessa.
»Ich wecke mal eben meinen Sohn, und dann brauche ich ein paar letzte Minuten in der Küche, aber setz du dich nur, ich mach das ganz gern allein«, antwortete Hajo.
»Lass deinen Sohn ruhig schlafen, ich habe schon von Frau Eiden gehört, dass es gestern wohl sehr spät geworden ist. Sie war mächtig müde heute Morgen, als sie mir Frühstück gemacht hat. Die Letzten sind erst gegen fünf Uhr nach Hause gegangen.«
Die Suppe aßen sie nur zu zweit, aber als Hajo gerade den Braten aufgeschnitten hatte, kam Johannes mit völlig zerzaustem Haar durch die Terrassentür nach draußen. Er trug blaue Boxershorts und ein Peanuts-T-Shirt und blinzelte in die Sonne, bis er Vanessa entdeckte.
»Oh«, entfuhr es ihm ein wenig erschrocken.
»Hallo, ich bin Vanessa«, grüßte diese und hielt ihm unbefangen die Hand entgegen.
Johannes kratzte sich am Kopf und versuchte, seine sonst tadellos sitzenden, schwarz glänzenden Haare irgendwie mit den Fingern in Form zu bringen, was aber hoffnungslos war, da sie wild in alle Richtungen vom Kopf abstanden. Sie waren gerade so lang, dass sie ein wenig Gel und viel Aufmerksamkeit benötigten, um diesen tadellosen Sitz zu bekommen.
»Ich bin Johannes, aber das wissen Sie vermutlich«, erwiderte er den Gruß.
»Sie können mich ruhig duzen, ich glaube, wir sind ungefähr im gleichen Alter, und Ihr Vater und Ihr Sohn duzen mich auch«, meinte Vanessa schmunzelnd.
Johannes reckte sich müde und entschuldigte sich, er müsse sich wohl schnell anziehen, er habe nicht gewusst, dass Besuch komme. Mit dem ersten Blick hatte Vanessa seinen durchtrainierten, gut aussehenden Körper erfasst. Durch die Küchentür trat Hajo auf die Terrasse und hielt eine große Platte mit Braten vor sich.
»Lass mal, Johannes, sie hat mich auch schon im Schlafanzug überrascht, sie kann damit umgehen«, sagte Hajo. »Ihr habt euch also schon miteinander bekannt gemacht?« Und zu seinem Sohn gewandt sagte er: »Du hast sowieso keine Zeit mehr, dich umzuziehen, sonst wird das Essen kalt. Möchtest du eine Vorsuppe, oder möchtest du direkt mit uns mitessen?«
»Ich wollte immer schon mal Wildschwein und Klöße zum Frühstück, danke, auf die Suppe verzichte ich. Und hättest du statt Rotwein Orangensaft für mich?«
Hajo lachte. »Apfelsaft kannst du haben, aber ich bin nicht sicher, ob das hilft. Ich bringe dir gleich ein Katermittel, und danach solltest du nur noch Wasser trinken.« Gemeinsam gingen sie in die Küche und wiesen Vanessa an, sitzen zu bleiben. Als sie mit dampfenden Schüsseln zurückkamen, trug Johannes eine dunkelgrüne Schürze, die ihm
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