Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
fokussiert, es zu unterdrücken, spürte Anou, dass sie den Kampf gerade verlor. Der Gestank der Matratzen, die Nachwirkungen des Betäubungsmittels, vor allem aber die zunehmende Angst waren als Konglomerat einfach zu viel. Das bisschen, was sich in ihrem Magen befand, ergoss sich als heiße Flüssigkeit auf den Betonboden vor dem Matratzenlager. Damit wurde der Gestank noch intensiver.
    Zitternd und weinend saß Anouschka Rossberg mit untergeschlagenen Beinen in der Dunkelheit. Panik machte sich zunehmend in ihr breit. Ein neues Gefühl, das sie bisher noch nicht kennen gelernt hatte. Sie war eine Kämpferin, schon immer, aber hier war niemand, gegen den sie kämpfen konnte. Zur Untätigkeit verdammt grübelte und lauschte sie, wartete auf seine Rückkehr und fragte sich, was sie tun würde, wenn es so weit war. Nach und nach setzte sich aber ein anderer, viel hässlicherer Gedanke durch.
    Was, wenn er nicht zurückkehren würde?!
    Was, wenn sie ihn schnappten und er nicht verriet, wo er sie versteckt hielt?
    Dieser Gedanke machte sie wahnsinnig. Lieber hätte sie den Kerl hier bei sich gehabt, hätte ihn machen lassen, auf ihre Chance gewartet und gegen ihn gekämpft. Das Warten war schier unerträglich für Anou.
    Nachdem ihr Magen sich beruhigt hatte, tastete sie abermals ihre Handgelenke ab – wie so oft, seit er weg war. Sie hätte es noch tausend Mal tun können, nichts änderte sich dadurch. Die Eisenringe saßen eng um ihre Handgelenke und waren mit einem kleinen Bügelschloss gesichert. Selbst wenn sie – wie es in Hollywoodfilmen gern gezeigt wurde – ihren Daumen ausrenken oder abreißen würde, würde sie die Fesseln nicht abstreifen können, derart eng angepasst
waren sie. Die stabilen schweren Ketten führten zur Decke, ohne dass Anou sehen konnte, wo genau sie endeten. Es spielte aber auch keine Rolle. Vorhin, als er die Kerzen angezündet hatte, war ihr aufgefallen, dass die Decke dieses merkwürdigen, hallenartigen Raums mehr als zwei Meter hoch war. Zu hoch für sie.
    Anou begann zu frieren.
    Widerwillig rollte sie sich auf der Matratze zusammen und zog die kratzige Decke über ihren nackten Körper.
    Warum war ihr das passiert? Ausgerechnet ihr, wo sie sich doch immer für so stark gehalten hatte? Was hatte sie verkehrt gemacht?
    Die Antwort war nicht so schwer zu finden.
    Sie war in einer Art Liebesrausch gewesen, hatte an nichts anderes mehr denken können als an Sex mit Nele. Sie war zur Tür gelaufen und hatte sie aufgerissen, ohne vorher durch den Spion zu schauen, wie sie es sonst immer tat. Es war also die Liebe, welche sie in diese Lage gebracht hatte.
    Nele!
    Sie suchte ganz sicher fieberhaft nach ihr. Das ganze Präsidium war auf der Suche, und Tim würde bestimmt eine Verbindung zu diesem Ort herstellen. Sie waren zusammen hier gewesen, hatten die Ölflasche gefunden, er musste einfach eine Verbindung herstellen!
    Warum sollte er , fragte eine fiese kleine Stimme.
    Anou dachte darüber nach, doch es fiel ihr keine zwingend logische Antwort ein.
    Wieder rannen Tränen über ihre erhitzten Wangen.
    Sie fror und schwitzte gleichzeitig. Bekam sie jetzt auch noch Fieber? In ihrem Mund und Rachen machte sich ein pelziger Geschmack breit. Sie brauchte dringend Wasser.
Essen war nicht so wichtig, aber sie würde etwas trinken müssen, wenn sie eine Flucht oder einen Kampf überstehen wollte. Schon jetzt waren ihre Muskeln wie Pudding. Weiterhin unter den schmutzigen Decken liegend spannte sie die Oberschenkel an, entspannte, spannte an und entspannte. Müdigkeit überkam sie, doch sie kämpfte dagegen an. Nicht einschlafen, nur nicht einschlafen.
    Denk nach! Beschäftige dich mit irgendwas!
    Überlege dir eine Strategie!
    Lass dich nicht von deinen Ängsten beherrschen.
    Wie auf ein geheimes Zeichen hin spulte vor ihrem geistigen Auge die Sequenz eines Filmes ab, eine bestimmte Szene, die sich ihr eingeprägt hatte, in der es darum ging, warum Menschen starben, die plötzlich der Wildnis ausgesetzt wurden. Auf Messers Schneide , mit Anthony Hopkins und Alec Baldwin, so hieß der alte Streifen.
    Sie sterben aus Scham! Fragen sich immer wieder: Wie bin ich hier reingeraten? Was habe ich falsch gemacht? Sie sitzen da und sterben, weil sie das Einzige, was sie hätte retten können, nicht taten. Denken!
    Diesen Satz von Anthony Hopkins hatte Anou sich gemerkt – warum auch immer. Wahrscheinlich, weil es stimmte. Angst lähmt die Gedanken, Panik setzt die wichtigsten Schaltzentren des Gehirns

Weitere Kostenlose Bücher