Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde
und Wärme. Alles war nass und glitschig, die Welt bestand allein aus Feuchtigkeit.
Sie zog die Kapuze der Regenjacke tiefer über die Stirn. Die Tropfen trommelten darauf, schienen sie einlullen zu wollen, doch dafür war es der falsche Zeitpunkt. Nele stand quasi unter Strom. Jeder Muskel ihres Körpers war angespannt, ihr Inneres selbst war ein einziges Spannungsfeld.
Sie hatten den pensionierten Forstwirt Peter Schröder beim Skatspielen in seiner Lieblingskneipe ausfindig gemacht. Der alte, aber erstaunlich fitte Mann konnte sich natürlich an die hübsche dunkelhäutige Polizistin erinnern und war bestürzt, als er von ihrer Entführung hörte. Sofort hatte er sich trotz des beschissenen Wetters bereiterklärt, sie zu dem Bunker zu führen, in dessen Nähe sie die Flasche Babyöl gefunden hatten. Nele wäre mit einer Wegerklärung zufrieden gewesen, doch Peter Schröder behauptete, sie würden den Bunker ohne seine aktive Hilfe niemals finden.
Zuerst waren Nele, Eckert und Hendrik der Meinung gewesen, der alte Mann wollte nur angeben. Das hatte sich aber schnell geändert. Das Gelände war unwegsam, unübersichtlich, und der Regen erschwerte die Sicht zusätzlich. Es gab keine detaillierte Karte für das Eibia-Gebiet, die alten Forstwege waren zugewachsen oder nicht mehr vorhanden. Der Alte hatte recht: Sie hätten sich hoffnungslos verlaufen.
Hoffnung!
Ein Wort nur, in diesen dunklen Stunden aber auch Lebenselixier.
Nele hatte gehofft, Tim irgendwo hier anzutreffen, hatte gehofft, dass er sich eines Besseren besinnen und umkehren würde. Aber sie hatten auf dem Parkplatz am Waldrand nur seinen Wagen gefunden, mit dem Zettel auf dem Sitz. Die Uhrzeit darauf hatte Nele einen Stich ins Herz versetzt. Tim war vor mehr als vier Stunden aufgebrochen.
Jemand näherte sich Nele von hinten und trat neben sie.
Es war Borrmann.
Wasser perlte sein asketisches, gebräuntes Gesicht herunter. Auch er trug eine Regenjacke mit Kapuze, schien aber nichts davon zu halten, sie überzuziehen. Sein Gesicht war mürrisch.
»Das ist Scheiße!«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Wir sollten abbrechen.«
Nele hätte ihn gern den Hang des Sandhügels hinuntergeschubst, auf dessen Kuppe sie standen. Einerseits hatte er ja recht, andererseits aber kam es überhaupt nicht in Frage, die Suche nach Anou und Tim abzubrechen, egal wie widrig die Umstände auch sein mochten.
»In einer halben Stunde wird es dunkel sein, dann sehen wir überhaupt nichts mehr.«
Sie hatten auch bisher kaum etwas gesehen, dank des Regens und der grauen Wolken. Unter dem dichten Dach der Nadelbäume herrschte seltsames Zwielicht, das mit jeder Minute, die sie suchten, geisterhafter wurde.
Peter Schröder schien das nicht zu stören. Er fand seinen Weg. Nach seiner Aussage waren sie von dem Bunker nicht mehr weit entfernt, und sie wären auch schon längst dort, hätten sie nicht die ganze Strecke nach Tim und Anou oder Spuren von ihnen gesucht. Gefunden hatten sie nichts. Der Regen hatte längst alles verwischt. Was vielleicht noch vorhanden war, versteckte die zunehmende Dunkelheit. Gerade deshalb mussten sie langsam vorgehen und das Unterholz entlang ihres Weges absuchen.
In der Senke vor ihnen waren Borrmanns Leute eben damit beschäftigt. Nele konnte die zuckenden Lichtkegel der Taschenlampen deutlich sehen. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. Eine Horde Elefanten wäre nicht auffälliger gewesen.
Sollte der Täter hier sein Versteck haben, hatte er für einen solchen Fall wahrscheinlich Vorsorge getroffen und sie längst bemerkt. Für Anouschkas Überleben konnte das nicht von Vorteil sein.
Jemand sprach mit Borrmann über das kleine Headset in seinem Ohr. Er drückte drauf, nuschelte ein leise Okay und nickte Nele zu.
»Weiter geht’s, hier ist auch nichts.«
Schon lief er den Sandhügel hinunter. Nele wartete noch auf Hendrik, der eben auf der anderen Seite hochstieg. Auch er trug keine Kapuze und sah aus wie der sprichwörtliche begossene Pudel. Nele zollte ihm Respekt dafür, dass er sich an der Suche beteiligte. In seiner Position hätte er das Ganze auch vom warmen und trockenen Büro aus verfolgen können.
Wortlos stiegen sie zusammen hinunter und folgten den Leuten der Spezialeinheit. In ihrer dunklen Kleidung verschmolzen sie mit dem Wald und wären ohne ihre Taschenlampen nicht zu sehen gewesen. Zu hören aber schon, denn auch bei größter Aufmerksamkeit ließ es sich in dem dichten Unterholz
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