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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Weile, bis sie sich so weit gefangen hatte, dass sie ihm antworten konnte. All ihre Kraft schien sie zusammennehmen zu müssen, um den Kopf in seine Richtung zu drehen und die Augen wieder öffnen zu können. Noch mehr Tränen rannen herab.
    Sie nickte abermals.
    »Ein Freund … und ein Kollege, ein Polizist wie ich. Und er hat dir doch nichts getan, oder?«
    Für die letzte Frage hätte er sie am liebsten geschlagen, tat es aber nicht, weil er sich über ihre Ehrlichkeit freute. Ohne Zögern hatte sie zugegeben, dass der Tote vor ihren Füßen ein Polizist war.
    Karel trat vor sie hin, packte ihre Handgelenke oberhalb
der Metallklammern, hielt sie fest und streichelte mit seinen Daumen die empfindlichen Innenseiten. Dabei sah er sie an. »Er hätte dich mir weggenommen. Du wirst verstehen, dass ich das nicht zulassen konnte. Das verstehst du doch, oder?«
    Sie wusste nicht, wohin sie blicken sollte. Er ließ ihre Handgelenke nicht los, streichelte sie weiter, so als seien sie ein Liebespaar, beschäftigt mit einer belanglosen Unterhaltung.
    »Nein!«, stieß sie schließlich hervor, riss den Kopf herum und starrte ihn an. Fiebrige Wut war in ihren Augen, aber auch Angst und Verzweiflung. »Nein, das kann ich nicht verstehen. Er hat dir nichts getan. Er wollte leben, genau wie ich.«
    Winzige Speicheltropfen benetzten seine Wangen.
    Er holte aus und schlug ihr mit einer fließenden, kraftvollen Bewegung ins Gesicht. Sie schrie, ihr Kopf flog zurück, ihre Lippe platzte auf. Blut floss an ihrem Kinn herab, als sie ihn wieder ansah.
    »Du solltest wissen, dass du so nicht mit mir sprechen darfst. Und wenn du möchtest, dass ich deine Fesseln löse, musst du mir Respekt entgegenbringen. Du bist ehrlich, das weiß ich zu schätzen, trotzdem solltest du dich vorsehen und die Rollenverteilung nicht vergessen. Hier bist du keine Polizistin mehr.« Er versetzte ihr einen Stoß in die Rippen. »Los, stell dich da rüber.«
    Sie taumelte an den Platz über dem Gully. Karel ging zur Wand hinüber und zog die Ketten so straff, dass ihre Arme weit über den Kopf gestreckt wurden. Sie stöhnte vor Schmerzen, wehrte sich aber nicht.
    »Du bist ganz vertrocknet. Wir brauchen Öl.«

    Ihre Wange brannte und schwoll an. Noch immer lief Blut aus ihrem Mund und tropfte auf ihre rechte Brust. Ihre Schultergelenke schmerzten in der überdehnten Stellung. Die Stimmung war so schnell umgeschlagen, dass Anouschka noch gar nicht begriff, was geschehen war. Sie hatte sich auf der Siegerstraße gewähnt, hatte die richtigen Worte gefunden und ihn für sich gewonnen. Sie war so nah dran gewesen, so verdammt nah dran, er hatte den Schlüssel für die Fesseln schon in der Hand gehabt …
    Ein Blick auf die Leiche hatte alles geändert!
    Tim Siebert!
    Nein, das durfte nicht sein. Nicht Tim. Großer Gott, nicht Tim. Aber er war es, da bestand kein Zweifel. Auch wenn sein Gesicht eine weiße Maske war, aus der groß die gebrochenen Augen starrten, auch wenn der tiefe Schnitt durch den Hals ihn zusätzlich entstellte, so blieb es doch Tim, den der Verrückte in diese Katakomben geschleppt hatte.
    Tausend Gedanken schossen Anouschka gleichzeitig durch den Kopf. Wieso Tim? Wieso er allein? Wo waren die anderen? Wie hatte er ihn überwältigen können?
    Er ließ ihr keine Zeit, Antworten zu finden.
    Jetzt hing sie erneut in den Fesseln, die Flucht so weit entfernt wie nie zuvor. Die ganze Mühe umsonst, nur weil sie ihm nicht hatte sagen können, dass sie verstand, warum er Tim töten musste. Diesen Verrat an ihrem Kollegen hatte sie nicht über die Lippen bringen können. Nicht einmal für ihr eigenes Leben. Nackt stand er vor ihr, hielt eine kleine blaue Flasche in der einen Hand und goss die klare Flüssigkeit in die andere.
    Babyöl!
    Sofort drang der Geruch in ihre Nase, benebelte ihre Sinne zusätzlich.

    Reiß dich zusammen!, schrie Anouschka sich in Gedanken an. Wenn du dich jetzt sträubst, ist alles vorbei!
    Also zuckte sie nicht einmal zusammen, als seine Hände, die weich und warm waren, das Öl zuerst auf ihren Schultern verteilten. Ein großer Teil lief an ihrem Körper hinab. Sie schloss die Augen und ließ ihn gewähren. Spreizte sogar die Beine ein wenig, als er sich ihren Oberschenkeln widmete. Er gab sich Mühe, rieb sie ohne Hast ein, vergaß keine Stelle, hielt sich aber lang an ihren Brüsten und zwischen ihren Beinen auf.
    Sie ertrug es ohne einen Ton, ohne ein Zucken. Während er sie streichelte, rief sie sich immer wieder Tims

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